Wer den Weg des Kölner Mädchenchors am Kölner Dom in den letzten Jahren verfolgt hat – im September feiert er sein 30-jähriges Bestehen – der weiß, dass das Ensemble über eine außergewöhnliche Expertise in zeitgenössischer Vokalmusik a cappella aus unterschiedlichen Kulturkreisen verfügt.
Da verwundert es nicht, dass Chorleiter Oliver Sperling einmal mehr aus gerade diesem Fundus schöpft, wenn er an diesem Dienstag mit seinen Sängerinnen zum letzten Mal vor der Sommerpause zu geistlicher Musik des 20. Jahrhunderts an den Dreikönigenschrein einlädt, um dort eine attraktive Sammlung vielstimmiger Motetten zum Thema "Liebe" zu präsentieren.
Gottes Liebe - und wie wir sie erwiedern
Es ziehe sich wie ein roter Faden durch das abendliche Konzert. "Inhaltlich geht es um die Liebe Gottes zu den Menschen, aber natürlich auch um die Frage: Wie erwidern wir diese Liebe?", skizziert der Domkantor seine Programmarchitektur, deren Rahmen des ersten Programmteils zwei Lied-Kantaten von Klaus Wallrath, dem Kantor von St. Margareta in Düsseldorf-Gerresheim, bilden: "Gott liebt diese Welt" und "Herr, du bist mein Leben" – übrigens beide mit Klavierbegleitung.
Außerdem gehören die Vertonungen von Auszügen des ersten Korintherbriefs, "Die Liebe hört niemals auf" des Norwegers Knut Nystedt und "Cum essem parvulus" des Schweden Bengt Johansson, sowie die Komposition "Ubi caritas et amor" von Oliver Sperling dazu. Aus den vier Spruchmotetten von Siegfried Strohbach, Standard-Stücke des Chores, singen die rund 90 Mädchen des Kammer- und des Extra-Chores zudem "Also hat Gott die Welt geliebt" und "Sehet, welch eine Liebe".
Messe von György Orbán wie gemacht für die Domakustik
Auch wenn Sperling jeden Beitrag für sich genommen als eine musikalische Predigt über den jeweiligen Lesungstext verstanden wissen will, gibt es dann doch noch zwei ganz besondere Entdeckungen, die da herausfallen: die "Mass No 6" des ungarischen Komponisten György Orbán, eine Kölner Erstaufführung und "ganz hervorragende Musik, die zu Herzen geht", wie Sperling meint, und "Even when he is silent" von Kim André Arnesen, geboren 1980 im norwegischen Trondheim.
Auch die Orbán-Messe sieht Klavierbegleitung vor und stelle eine kongeniale Verbindung zwischen den Sängerinnen und diesem im Dom eher selten zu hörenden Tasteninstrument her, erklärt Sperling. "Sie präsentiert ein ganz ausgezeichnet komponiertes Ordinarium, ist wie gemacht für die Akustik des Domes und steht bereits seit vielen Jahren auf meiner ganz persönlichen Wunschliste."
"Wie ein kleines Glaubensbekenntnis"
Die Liedzeile "Even when he is silent" hingegen ist kein originär geistlicher oder biblischer Text, habe aber dennoch eine theologische Dimension, findet Sperling. Dieser Schriftzug ist im Zweiten Weltkrieg auf einer Kellerwand in Köln gefunden worden und hat auf wundersame Weise seinen Weg nach Skandinavien gefunden.
"Gerade bei solchen Fundstücken ist Textarbeit mit dem Chor gefragt. Denn obwohl die Strophen über die Liebe und über Gott aus einem säkularen Kontext stammen, sind sie wie ein kleines Glaubensbekenntnis, in dem der Autor ein klares Statement offenbart, obwohl er die Gegenwart Gottes nicht spürt. Das passt zu unserem Anliegen, mit der Kölner Dommusik Transformatoren für die Glaubensbotschaft zu sein."
Nach Zeitgenössischem zum Abschluss Rossini
Den Ausklang des Konzertes schließlich bildet "La charité" von Gioachino Rossini – auch diese Motette verlangt nach Klaviergeleitung. "Mit diesem Werk können sich die Sängerinnen nochmals richtig frei singen", sagt Domkantor Sperling. Außerdem solle die barmherzige Liebe Gottes das Schlusswort haben.
Das letzte Konzert der Saison in der Reihe "Geistliche Musik am Dreikönigenschrein" unter der Leitung von Elena Szuczies und Oliver Sperling findet um 20 Uhr im Kölner Dom statt. Den Klavierpart übernimmt Professor Stephan Görg, Lehrbeauftragter an der Kölner Musikhochschule.