Am Freitag hatten die Rechtsanwälte Ulrich Weber und Johannes Baumeister eine unabhängig erarbeitete Studie zum Umgang mit Missbrauch und sexualisierter Gewalt im Bistum vorgestellt. Laut der Untersuchung müssen sich Kohlgrafs Vorgänger Albert Stohr (1935-1961), Hermann Volk (1962-1982) und Karl Lehmann (1983-2016) schwere Versäumnisse anrechnen lassen. Die Verantwortlichen der Diözese kündigten nun weitere Schritte zur Aufarbeitung an, etwa die Prüfung, ob im Bistum Aktive sich für rechtlich relevantes Versagen verantworten müssten.
Kohlgraf sprach von "systemischem Versagen". Fehlende Verantwortungsübernahme habe Missbrauch begünstigt. Lehmann, der "ein menschenfreundliches Gesicht gezeigt" habe, habe in der Begegnung mit Betroffenen sexualisierter Gewalt "unglaubliche Härte und Abweisung" an den Tag gelegt. Zugleich kritisierte Kohlgraf Gemeinden, die bis heute "Priester auf ein Podest gehoben haben, das sie unangreifbar macht".
Themen auch beim Synodalen Weg auf der Tagesordnung
Der Bischof nannte es "geradezu unaussprechlich widerwärtig", wenn Missbrauch von Tätern religiös begründet werde. Er dankte den Betroffenen und denen, die Wissen in die Studie eingebracht hätten: "Ich bin dankbar dafür, dass die Wahrheit ans Licht kommt." Der Kulturwandel im Bistum sei unumkehrbar.
Mit Blick auf die am Donnerstag beginnende vorerst letzte Versammlung des katholischen Reformprojekts Synodaler Weg sagte Kohlgraf: "Missbrauch ist immer verbunden mit Machtausübung, einer bestimmten Sexualmoral und dem kirchlichen Umgang mit ihr, mit männerbündischen Netzen und auch der priesterlichen Lebensform und deren Selbstverständnis." Diese Themen stehen bei dem Treffen in Frankfurt auf der Tagesordnung.
Neue Perspektive durch Bevollmächtigte des Generalvikars
Bentz betonte, das Lesen der Studie habe ihn aufgewühlt. Vieles sei schwer erträglich, etwa "der Graben zwischen öffentlicher Rede und internem Handeln". Viele hätte ihm in den vergangenen Tagen gesagt, das Bild von Lehmann sei zerbrochen. "Mir ergeht es ähnlich", so Bentz. Es braucht viel Anstrengung, um die Aufarbeitung im Bistum voranzubringen und weitere Konsequenzen daraus zu ziehen. Allerdings gehe es nicht nur um veränderte Strukturen: "Die besten Verfahren nutzen wenig, wenn die beteiligten Akteure nicht auch mit adäquaten Haltungen agieren."
Die Bevollmächtigte des Generalvikars, Stephanie Rieth, sagte, kein Mensch gehöre auf ein Podest. Überhöhung habe dazu beigetragen, Missbrauch in diesem Ausmaß möglich zu machen. Als Frau will Rieth im Bistums eine Perspektive einbringen, die den "rein innerklerikalen Umgang mit dem Thema des sexuellen Missbrauchs durchbricht".
Dunkelfeld des Missbrauchs durch Studie erhellt
Rieth will auch mehr mit Gremien und Gruppen in den Pfarreien und Einrichtungen ins Gespräch kommen. Notwendig sei eine Erinnerungskultur, "die nicht überdeckt, sondern sichtbar macht". Immer noch gebe es an manchen Orten "eine unerträgliche Solidarisierung mit möglicherweise Beschuldigten und gegen möglicherweise Betroffene". Nach Rieths Worten erhellt sich als Folge der Veröffentlichung der Studie gerade das Dunkelfeld zu Missbrauch.
Rieth erinnerte erneut an eine Telefonhotline, an die sich Menschen mit Fragen und Anliegen zu der Studie wenden könnten. Sie ist nach Bistumsangaben bis zum 17. März unter (0 61 31) 25 35 22 erreichbar. In fünf sogenannten Dialogveranstaltungen wollen Kohlgraf und Rieth in den kommenden Wochen zu Gesprächen zur Verfügung stehen.