Vor der Mitternachtsmette verspeisen die Provencalen an Heiligabend ein großes, mehrgängiges Festtags-Diner. Zuvor wird am Kamin ein Holzscheit entzündet ("cacho-fio"), über das dreimal Wein versprengt wird. Nach alter katholischer Tradition handelt es sich beim anschließenden Festmahl - weil fleischlos - um ein Fastenessen, das jedoch reichhaltig und sehr sorgfältig zubereitet ist. Die häufigsten Gänge sind Aioli (Knoblauch-Mayonnaise) mit Kabeljau und gekochtem Gemüse, hartgekochte Eier, Artischockenköpfe in weißer Soße, Spinat-Gratin, Sellerie und Sardellensoße.
Das Mahl endet mit den 13 Desserts, die Jesus und die zwölf Jünger beim Letzten Abendmahl symbolisieren sollen: frittierte Krapfen mit Olivenöl, weißer und schwarzer Nougat, Datteln, die "vier Bettler" (getrocknete Feigen, Rosinen, Mandeln und Haselnüsse), Brignoles-Zwetschgen, Winterbirnen, kandiertes Zitronat, Quittenmarmelade, Fougasse (ein flacher Kuchen), eine Galette (ein Blätterteig-Pfannkuchen mit Fenchel oder Zimt), grüne Melone und weiße Trauben.
Fisch in Spanien
Bei den Spaniern stehen zum Weihnachtsessen Schätze aus dem Atlantik oben auf der Wunschliste. Echte Kostbarkeiten, zumindest in den Tagen vor dem Fest. Denn dann steigen die Marktpreise für Entenmuscheln, Hummer und Riesengarnelen in astronomische Höhen, je nach Meeresgetier bis zu 200 Euro pro Kilo.
Die Händler spekulieren darauf, dass ihre Landsleute zu Weihnachten traditionell an nichts sparen und - einer gängigen Redensart zufolge - "das Haus zum Fenster hinauswerfen". Vergleichsweise günstig ist da noch ein Kapaun (Masthahn), der mit einer Füllung aus Hackfleisch, Rosinen und Pinienkernen ein paar Stündchen im Ofen verbringt.
Kein Fleisch in Polen
Für neun von zehn Polen ist an Heiligabend Fleisch zu essen tabu - aus Tradition, auch wenn die katholischen Bischöfe nicht mehr zum Fasten aufrufen. Als Hauptgericht gibt es meist Karpfen; und frisch soll er sein. Nicht selten wird der Fisch lebendig im Plastikbeutel gekauft und erst zu Hause in der eigenen Badewanne oder im Garten in einem Kübel getötet - mit dem Hammer oder einem Messer. Gegen das Gemetzel am 24. Dezember protestieren Tierschützer seit Jahren.
Klassischerweise stehen zwölf verschiedene Gerichte auf der Festtafel. Am Tisch wird ein Gedeck mehr als nötig aufgelegt - für den Fall, dass ein Überraschungsgast oder ein Bedürftiger eintrifft. Der wichtigste Augenblick an Weihnachten in Polen: Direkt vor dem Essen reichen sich alle Familienmitglieder und Gäste gegenseitig große, eckige Weihnachtsoblaten, brechen ein Teil ab und wünschen einander Gesundheit und auf innige Weise alles Gute. Die dort gewählten, oft rührenden Worte bleiben hängen.
Rochen in Island
Die spinnen, die Isländer! Während andernorts der Duft von Plätzchen und Zimt in der Luft liegt, erfüllt auf der Vulkaninsel zu Weihnachten ein infernalischer Gestank die Wohnstuben. Am 23. Dezember ("Thorlak-Messe"), dem Tag vor Heiligabend, servieren die Bewohner zu Ehren des isländischen Nationalheiligen und Bischofs Thorlak Thorhallsson (1133-1193) ein ganz spezielles Gericht: fermentierten Rochen ("Kaest Skata").
Der verarbeitete Fisch ist eigentlich hochgiftig, weil er seine Harnsäure nicht ausscheidet, sondern im eigenen Fleisch ablagert. Doch ein hungriger Insulaner mit der Furchtlosigkeit eines Wikingers muss einst herausgefunden haben, dass man den Rochen essen kann, wenn man ihn lange genug rotten lässt.
Mindestens einen Monat lang bei konstanter Temperatur in einem Bottich, bis sich die Giftstoffe verflüchtigt haben; dann ist die Delikatesse reif. Das welke Fleisch des Gammelrochens wird gekocht und mit ausgelassenem Schafsfett verrührt. Dazu reichen die Isländer nicht etwa Schnaps, sondern ein Glas Milch - um den Magen zu stabilisieren. Na dann: Guten Appetit!