Erstmals ökumenischer Segen für Oberammergauer Passionsspiele

Marx: "Größte Geschichte aller Zeiten"

Der Text fürs Oberammergauer Passionsspiel 2020 ist noch nicht fertig, aber den Segen gab's schon am Dienstag. Erstmals in ökumenischer Verbundenheit - von Reinhard Kardinal Marx und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm.

Reinhard Kardinal Marx schaut sich Entwürfe für die kommenden Oberammergauer Passionsspiele an / © Peter Kneffel (dpa)
Reinhard Kardinal Marx schaut sich Entwürfe für die kommenden Oberammergauer Passionsspiele an / © Peter Kneffel ( dpa )

Noch ein gutes halbes Jahr, dann hebt sich in Oberammergau im Mai 2020 wieder der Vorhang für die Passionsspiele. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, Karten sind gefragt wie nie und selbst in Rom bei der jüngsten Amazonas-Synode sprach ein US-Kardinal schon in Vorfreude seinen Münchner Mitbruder Reinhard Marx darauf an.

Dreimal besuchte der Erzbischof von München und Freising selbst 2010 die "größte Geschichte aller Zeiten", und bei jeder Aufführung habe er wieder etwas Neues für sich entdeckt, schwärmt der Kirchenmann.

Marx: Es gibt nur einen Jesus Christus für Alle

Am Dienstag war Spielleiter Christian Stückl mit einer Delegation aus Oberammergau zu Gast im Erzbischöflichen Palais in München. Es galt, sich den Segen der Kirche abzuholen für das Spiel vom Leiden und Sterben Jesu - erstmals sogar einen ökumenischen. Marx hatte eigens den evangelischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm dazu eingeladen. Der betonte denn auch, dass es keinen katholischen, evangelischen oder orthodoxen Christus gebe, sondern nur den einen Herrn Jesus Christus. "Und der war Jude", fügte der Kardinal hinzu.

An einem großen Tisch hatten die Bischöfe, unter ihnen auch der Münchner Weihbischof Wolfgang Bischof, und die Jesus-Darsteller Frederik Mayet und Rochus Rückel, Platz genommen. Auch Eva-Maria Reiser, die künftige Maria, war gekommen. Sie alle lauschten einem sich sofort entwickelnden fachkundigen und lebendigen Diskurs.

Das Konzept für die Aufführung steht, aber der Text dafür noch nicht. Bis 1850 hatte meist ein Ettaler Pater diesen geschrieben. Danach war über 100 Jahre nur dieselbe Vorlage verwendet worden. Im Dritten Reich hatte Adolf Hitler das Passionsspiel sogar als "reichswichtig" eingestuft.

Regisseur Stückl ist der Dialog mit Juden wichtig

Nach dem Krieg wurde die Kritik am Text umso lauter. Künstler wie Billy Wilder oder Leonard Bernstein prangerten die antisemitischen Töne an. Als Stückl 1990 erstmals Spielleiter wurde, wagte er sich an einen neuen Text, auch in den Jahren darauf. Seither ist es ihm wichtig, mit Vertretern der großen amerikanischen jüdischen Organisationen im Gespräch zu sein. Vor allem sieht sich der Regisseur herausgefordert, angesichts der wandelnden Zeiten immer wieder neu die Geschichte des Mannes aus Nazareth zu erzählen.

Das Leiden und Sterben Jesu stand stets im Mittelpunkt. Für 2020 will Stückl noch deutlicher herausarbeiten, was letztlich zur Hinrichtung des Galiläers führte. Die Bethanien-Szene etwa, in der Maria Magdalena Jesus salbt, will er ausbauen, die Bergpredigt stärker in den Vordergrund rücken.

Und wenn der 57-Jährige so erzählt, was er alles vorhat, dann wird eine lebendige Bibelstunde daraus. Bedford-Strohm macht sich für Magdalena stark, die als einzige schon früh akzeptiert, dass Jesus in den Tod gehen wird, während seine Apostel das noch nicht wahrhaben wollen.

Jesus als "den wahren Menschen und wahren Gott" darstellen

Marx versichert: "Ich will mich nicht einmischen." Dann muss er doch los werden, was ihn umtreibt, nämlich dass Religion, auch das Christentum, inzwischen von manchen für rein ideologische Zwecke missbraucht werde, was er sich so nie hätte vorstellen könne. Zwei Theologen und ein "Fachmann fürs Katholische", wie Stückl gern genannt wird, diskutieren ernsthaft und amüsant Bibelstellen aus dem Alten und Neuen Testament. Pastoraltheologe Ludwig Mödl hört dabei aufmerksam zu. Er ist theologischer Berater für die Passionsspiele und sorgt dafür, dass alles eine Richtigkeit hat, wofür ihn Stückl schon 2010 scherzhaft "katholischer Wauwau" genannt hat.

Schlaflose Nächte bereitet dem Regisseur noch die Pilatus-Stelle. Es ist die größte Massenszene, bei der er viele von den 1.900 spielberechtigten Erwachsenen am besten unterbringen kann. Wenn eine solche Menge die Hinrichtung fordere, habe das eine enorme "Wucht", die leicht auch missverstanden werden könne, weiß Stückl.

Er plant deshalb, die unterschiedlichen Meinungen über Jesus unter den jüdischen Priestern noch stärker auszuarbeiten. Er müsse Jesus als "den wahren Menschen und wahren Gott" zeigen, forderte einst der Oberammergauer Pfarrer und spätere Münchner Weihbischof Franz Dietl den Spielleiter auf. "Ich wäre schon froh, wenn ich das erste schaffe", sagt Stückl heute.

Von Barbara Just


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