"Die Einsicht ist nicht überall gleich, und einige suchen Zuflucht in der Vergangenheit", sagte Marx im Interview der französischen Zeitung "La Croix" am Donnerstag in Paris. Die Katholiken selbst hätten gezeigt, dass sie eine Veränderung wollen, doch der Prozess sei "langsam".
Verstärkt werde der Prozess von einem Verlust der Glaubwürdigkeit, nachdem verschiedene Fälle sexuellen Missbrauchs bekannt wurden sowie aufgrund einer fehlenden Transparenz bei Finanzfragen und einer "Kultur der Geheimhaltung", so der Münchner Erzbischof. "Diese Krise treibt uns an, unsere Arbeit an der Basis fortzusetzen." Die Kirche könne sich nicht mehr damit zufrieden geben, zu lehren.
Auf die Frage, ob die katholische Kirche in Deutschland einen Vorsprung beim Verständnis der aktuellen Veränderungen habe, sagte Marx: "Während einige uns als Vorreiter sehen, bewerten andere uns als Ketzer." Deutschland sei das einzige europäische Land mit zwei praktisch gleich starken Kirchen. In den Medien äußerten sich protestantische und katholische Theologen gleichermaßen. Das schaffe eine Atmosphäre des Austauschs.
Marx zeigt sich offen für Reformen
Marx zeigte sich zudem aufgeschlossen gegenüber Reformen in der Kirche. Er sprach sich für eine "bessere Organisation" und eine "bessere Verteilung der Verantwortung" aus. "Ich habe mehrere Jahre gebraucht, um mir dessen bewusst zu werden, aber es scheint mir offensichtlich, dass wir keine Bischofssynode mehr einberufen können, ohne Laien, Frauen und Männer einzuladen", so Marx.
Der Kardinal hatte zu Wochenanfang an zweitägigen Beratungen mit den Vorsitzenden der Bischofskonferenzen Frankreichs und der Schweiz, Georges Pontier und Felix Gmür, in Paris teilgenommen. Themen waren das europäische Gemeinwohl und die Zukunft des europäischen Einigungsprozesses.