Kinderhilfswerk über faire Mediennutzung in der Familie

"Massive Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte"

Was schaut mein Kind im Netz? Diese Frage veranlasst manche Eltern zu übermäßiger Kontrolle. Das Deutsche Kinderhilfswerk empfiehlt einen anderen Weg.

 (DR)

DOMRADIO.DE: Eltern stehen heutzutage wirklich vor einem Spagat: Wie beschütze ich mein Kind in der digitalen Welt und wie gebe ich ihm auch Freiheiten? Was raten Sie da?

Kai Hanke (Deutsches Kinderhilfswerk): Das ist natürlich eine grundlegende Erziehungsfrage, die uns auch in anderen Fällen begegnet. Nur ist da sozusagen die Lebenswelt nicht so komplex wie im sogenannten Mediendschungel.

Wir raten den Eltern immer dazu, erst einmal nicht in Stress zu verfallen. Es ist ganz normal, dass man sich ein bisschen überfordert fühlt, weil die Medienwelt einfach so komplex ist.

Gleichzeitig sollten auch die eigenen Mediengewohnheiten reflektiert werden, um ein Vorbild für die Kinder in der Mediennutzung zu sein.

Aus kinderrechtlicher Sicht ist es auch immer wichtig, vom Kind aus zu denken. Dass Eltern mit ihren Kindern im Gespräch bleiben und wissen, wie sie Medien nutzen und warum. Dann können sie gemeinsam mit den Kindern Regeln aushandeln. Das ist wichtig, weil nur diese Regeln von den Kindern auch tatsächlich akzeptiert werden. Es macht wenig Sinn, Regeln aufzustellen, die die Kinder nicht einhalten, weil sie keine Lust darauf haben.

DOMRADIO.DE: Das ist ja auch schwer zu kontrollieren. Dann müsste man ja wirklich das Handy des Kindes in die Hand nehmen oder den Rechner durchsuchen.

Hanke: Richtig. Das ist ein Punkt, der in unserer Studie wirklich als frappierendes Ergebnis herauskam, dass viele Eltern das tun. Es gibt im Grunde zwei Extremstrategien bei den Eltern. Zumindest haben wir das so herausarbeiten können.

Im einen Fall delegieren die Eltern die Verantwortung an die Kinder und sagen: Ihr werdet das schon irgendwie hinkriegen. Ihr seid sowieso fitter im Umgang mit Medien. Das heißt, die Eltern ziehen sich aus der Verantwortung zurück.

Im zweiten Fall überbeanspruchen sie die Verantwortung und kontrollieren die Chat-Verläufe. Schauen sich an, wo ihr Kind im Internet gesurft ist. Teilweise kontrollieren die Eltern die Standortdaten über google. Das sind dann so massive Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Kinder, dass wir das nicht mehr gedeckt sehen, durch den Anspruch die Kinder schützen zu wollen.

DOMRADIO.DE: Hat Sie das Ergebnis in dem Umfang überrascht?

Hanke: Ehrlich gesagt, nein. Uns ist das schon bekannt, dass wir natürlich auch Eltern haben, die unsicher sind. Aber dass so über die Interessen der Kinder hinweggegangen wird aufgrund der eigenen Unsicherheit, hat uns eher überrascht. Wir hätten mehr an dieses Ideal der sogenannten Aushandlungsfamilie geglaubt. Ich möchte aber auch gar kein Elternbashing betreiben, sondern wir haben schon festgestellt, dass Eltern wirklich das Beste wollen, aber nicht genau wissen, wie sie das umsetzen können.

DOMRADIO.DE: Wo können sich Eltern Hilfe suchen, wenn sie unsicher sind?

Hanke: Einerseits kann man sich erst einmal mit den Kindern abstimmen. Das ist auch gar nicht so sehr nur auf die Medien bezogen, sondern eine erzieherische Herausforderung.

Andererseits gibt es relativ viele Hilfsangebote von den Medien-Bildungseinrichtungen, von einem ganz normalen Jugendzentrum vor Ort oder von den Stadtbibliotheken.

Und es gibt natürlich im Internet ganz viele Angebote, die muss man ein bisschen suchen. Das ist auch einer der Kritikpunkte, die wir äußern, dass diese Angebote teilweise schwer aufzufinden sind für Eltern. Vor allem für die, die sich nicht auskennen.

Das Deutsche Kinderhilfswerk bietet einen eigenen Eltern-Guide an. Darin finden Eltern Anhaltspunkte. Zum Beispiel wie Medienerziehung in Familien in unterschiedlichen Altersstufen funktionieren kann.


Quelle:
DR