Mazyek zur Judenfeindlichkeit unter Muslimen

"Gespräche zwischen Juden und Muslimen stärken"

Der Unabhängige Expertenkreis Antisemitismus nimmt eine zunehmende Judenfeindlichkeit in Deutschland wahr - auch unter Muslimen. Mit großer Sorge nimmt der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime den Bericht zur Kenntnis. Ein Interview.

Juden sind vielfach antisemitischen Übergriffen ausgesetzt (dpa)
Juden sind vielfach antisemitischen Übergriffen ausgesetzt / ( dpa )

domradio.de: Die Geschichte in Deutschland hat uns ja viel gelehrt und Kinder lernen es in der Schule, zum Beispiel im christlichen Religionsunterricht: Judenfeindliche Witze oder sonstige Angriffe auf Juden gelten als Tabubruch. Gibt es dieses Tabu-Bewusstsein unter den hier lebenden Muslimen nicht so?

Ayman Mazyek (Vorsitzender des Zentralrats der Muslime): Auf jeden Fall gibt es das. Deswegen müssen wir schon differenzieren. An dieser Stelle möchte ich aber auch noch mal auf den Bericht eingehen. Der hat ja auch festgestellt, dass nach wie vor das rechtsextremistische Lager in Deutschland der bedeutendste Träger des Antisemitismus in Deutschland ist - auch wenn Antisemitismus unter Muslimen ein wachsendes Problem ist. Es gibt in der Tat eine neue Gruppe, die uns sorgen bereitet. Das sind Menschen, die dazu gekommen sind. Das sind vornehmlich muslimische Flüchtlinge.

domradio.de: Sie sprachen gerade eben davon, dass man da differenzieren muss?

Mazyek: Ich würde nicht von muslimischem Antisemitismus sprechen, sondern von Antisemitismus in den verschiedenen Gruppen und Bevölkerungsschichten.

Denn wir als Muslime verstehen uns als Menschen, die gegen Rassismus sind und die gerade gegen solche Tendenzen immer wieder vorgehen. Unsere Religion ruft uns dazu auf. Ich erkenne gerade bei den deutschen Muslimen sehr wohl nicht nur dieses Bewusstsein, sondern auch, dass wir als Deutsche hier noch mal eine besondere Verantwortung bei diesem Thema haben.

domradio.de: Was ist denn bei den zugezogenen Muslimen anders?

Mazyek: Es gibt Leute, die hinzugezogen sind, die sind nicht so sozialisiert worden und haben die Toleranz nicht so gelernt.

domradio.de: Heißt das, sie bekommen in ihren Herkunftsländern teilweise eventuell sogar Judenhass gelehrt?

Mazyek: Das ist bisweilen passiert. Natürlich. Aus politischen und ideologischen Gründen. Es sind ja meist keine demokratischen Länder, aus denen diese Leute kommen. Der Hass auf Israel und Juden wird ganz bewusst in Schulen und anderswo vermittelt. Und das bekommt man auch nicht einfach so aus den Köpfen wieder raus.

domradio.de: Was kann man tun?

Mazyek: Da gibt es zwei Narrative, die wollen wir bedienen: Erstens die Religion selbst, weil unser Glaube dagegen steht. Das müssen wir immer wieder klar machen. Das ist auch etwas, womit wir die Menschen überzeugen können. Das andere ist: durch Lernen und Begegnung können sich Einstellungen ändern. Man kann viel in der Theorie erzählen. Aber es muss eben auch gelernt und eingeübt werden. Wenn ein solcher Mensch mit solch einer Einstellung hier hinkommt und noch nie einem Juden begegnet ist, dann kann er viel erzählen.... Ich finde es: Er muss es mal erleben. Erst dann kann man urteilen.

domradio.de:  Wie sieht das konkret aus?

Mazyek: Zum Beispiel haben wir ein Programm, wo sogenannte Paten mit geflüchteten Muslimen ein ehemaliges Konzentrationslager besuchen und mit ihnen über die deutsche Geschichte sprechen. In einem anderen Programm kommen muslimische und jüdische Gemeinden zusammen und sprechen mit Geflüchteten und Zeitzeugen. Das ist wichtig. Solche Gespräche müssen wir weiter ausbauen, damit die Menschen in allen Bevölkerungsschichten und auch bei den muslimischen Flüchtlingen sensibilisiert werden können.

Das Interview führte Verena Tröster.  


Quelle:
DR