Mehr Geld für Länder und Kommunen, weniger für Asylbewerber

"Atmendes System"

Im Streit um die Aufteilung der Kosten für Flüchtlinge sind sich Bund und Länder einig geworden. Länder und Kommunen sollen entlastet werden, indem der Bund mehr Geld gibt und bei der Versorgung der Schutzsuchenden gespart wird.

Flüchtlingsunterkunft bestehend aus Containern (dpa)
Flüchtlingsunterkunft bestehend aus Containern / ( dpa )

Bund und Länder haben sich nach monatelangem Streit auf eine neue Verteilung der Kosten für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen geeinigt. Beim Treffen in Berlin vereinbarten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Regierungschefinnen und -chefs der Länder laut in der Nacht zu Dienstag veröffentlichtem Beschlusspapier, dass der Bund ab 2024 pro Schutzsuchendem künftig eine Pauschale von 7.500 Euro zahlt. Gleichzeitig sollen die Sozialleistungen für Flüchtlinge reduziert werden, um Geld zu sparen.

Blick in den Plenarsaal im Deutschen Bundestag / © Michael Kappeler (dpa)
Blick in den Plenarsaal im Deutschen Bundestag / © Michael Kappeler ( dpa )

Gesetzesänderungen 

Wie aus dem Papier hervorgeht, sollen Asylbewerber im laufenden Verfahren, die bislang nach 18 Monaten Anspruch auf Bürgergeld haben, künftig doppelt so lange, nämlich 36 Monate, nur die abgesenkten Asylbewerberleistungen erhalten. Dafür soll das Asylbewerberleistungsgesetz geändert werden.

Zudem sollen anerkannte Schutzberechtigte, Flüchtlinge aus der Ukraine und Geduldete nach Ablauf dieser Zeit künftig zur Verpflegung "nur diejenigen Leistungen erhalten, die sie wirklich benötigen", wenn sie in Einrichtungen mit Gemeinschaftsverpflegung untergebracht sind. Eine entsprechende Änderung des Sozialgesetzbuchs strebt der Bund dem Papier zufolge zum kommenden Jahr an.

Entlastung für Länder und Kommunen 

Der Bund rechnet durch diese Änderungen mit Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro für Länder und Kommunen, auch weil Schutzsuchende, die nur Asylbewerberleistungen beziehen, kaum Anspruch auf Gesundheitsleistungen haben. Zusammen mit der künftigen Pro-Kopf-Pauschale des Bundes würden Länder und Kommunen im kommenden Jahr insgesamt in Höhe von rund 3,5 Milliarden Euro entlastet, heißt es im Papier.

Mit der Pro-Kopf-Pauschale wird der finanzielle Beitrag des Bundes künftig abhängig von der Zahl der Flüchtlinge gemacht. Das hatten die Länder gefordert, waren allerdings mit einem höheren Betrag, nämlich mindestens 10.500 Euro pro Jahr in die Verhandlungen gegangen.

Bezahlkarte für Flüchtlinge 

Der Bund wollte den Ländern ursprünglich 1,25 Milliarden Euro im kommenden Jahr für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen geben. Diese Pauschale wird nun durch das "atmende System" ersetzt. Dem Papier zufolge sollen die Länder 2024 eine Abschlagszahlung in Höhe von 1,75 Milliarden Euro bekommen. Im Jahr darauf soll die genaue Abrechnung erfolgen. Das Papier sieht vor, dass der Bund sich dabei mit einem Mindestbetrag in Höhe von einer Milliarde Euro an den Kosten für Flüchtlinge beteiligt.

Der 17-seitige Beschluss des Bund-Länder-Treffens zur Flüchtlingspolitik enthält zudem die von einigen Ländern geforderte Bezahlkarte für Flüchtlinge. Zuständig für die Einführung sind demnach die Länder. Die Bundesregierung sagte Unterstützung dabei zu, dafür bundeseinheitliche Mindeststandards zu entwickeln.

Kleingeld / © Patrick Thomas (shutterstock)

Geringerer Verwaltungsaufwand

Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll dem Papier zufolge bis zum 31. Januar 2024 ein Modell erarbeiten. Grundsätzlich hält der Beschluss fest, dass Bargeldzahlungen an Asylbewerber "einzuschränken und damit auch Verwaltungsaufwand bei den Kommunen zu minimieren" seien. Die Bezahlkarte wird Bargeldabhebungen voraussichtlich nur beschränkt ermöglichen.

Der Bund-Länder-Beschluss enthält zudem eine Reihe weiterer Absichtserklärungen in Bezug auf die Dauer von Asylverfahren von Menschen aus Ländern mit geringer Schutzquote, zu Rückführungsabkommen, Grenzkontrollen und zur europäischen Asylpolitik.

Familiennachzug nicht ausgeweitet 

Zur Diskussion um Asylverfahren in Ländern außerhalb der EU hält der Beschluss fest, dass die Bundesregierung prüfen werde, "ob die Feststellung des Schutzstatus von Geflüchteten unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention zukünftig auch in Transit- oder Drittstaaten erfolgen kann".

Zudem beschlossen Bund und Länder, den Familiennachzug zu sogenannten subsidiär Schutzberechtigten nicht auszuweiten. Die vorherige Koalition hat den Familiennachzug insbesondere für Syrer nach der Fluchtbewegung im Jahr 2015 eingeschränkt. SPD, Grüne und FDP hatten im Koalitionsvertrag eigentlich vereinbart, diese Einschränkung wieder zurückzunehmen.

Deutschland beherbergt die meisten Ukraine-Flüchtlinge in der EU

Die Zahl der Kriegsvertriebenen aus der Ukraine mit temporärem Schutzstatus in der EU hat wieder die Marke von vier Millionen überschritten. Fast drei von zehn fanden Aufnahme in Deutschland, wie das europäische Statistikamt Eurostat (Mittwoch) in Luxemburg mitteilte. Demnach beherbergte die Bundesrepublik zum Stichtag 30. Juni über 1,1 Millionen Ukrainer und andere Drittstaatsangehörige, die vor dem Krieg geflohen sind, mehr als jedes andere EU-Land.

Anastasiia Kramarenko, Geflüchtete aus der Ukraine, mit ihrem Baby auf dem Schoß und ihrem Sohn daneben in ihrer Unterkunft im Aloisiuskolleg in Bonn am 6. Dezember 2022. / © Julia Steinbrecht (KNA)
Anastasiia Kramarenko, Geflüchtete aus der Ukraine, mit ihrem Baby auf dem Schoß und ihrem Sohn daneben in ihrer Unterkunft im Aloisiuskolleg in Bonn am 6. Dezember 2022. / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
epd