Schlag auf Schlag sind die überraschenden Nachrichten aus dem Vatikan gekommen. Innerhalb von nur sieben Tagen wurden in China gleich drei von Papst Franziskus ernannte Bischöfe geweiht und erstmals seit langer Zeit ein neues Bistum errichtet. Und das nach Monaten des vermeintlichen Stillstands.
Im Hintergrund arbeitete die vatikanische Diplomatie auf Hochtouren, wie Medien im Nachgang berichteten. Hat sich der Heilige Stuhl also doch gegen den Zugriff der kommunistischen Partei auf innerkirchliche Angelegenheiten durchgesetzt?
Kein diplomatischer Durchburch, aber ein gutes Zeichen
"Von einem wirklichen 'diplomatischen Durchbruch' würden wir nicht sprechen", dämpft Katharina Feith vom China-Zentrum der Steyler Missionare in Sankt Augustin bei Bonn die Erwartungen. Ein "gutes Zeichen" seien die Weihen aber schon. Um dieses genaue Abwägen nachzuvollziehen, muss man die komplexe Situation kennen, in der sich die katholische Kirche in China befindet.
In der 1949 gegründeten Volksrepublik steht die Glaubensfreiheit zwar offiziell in der Verfassung. Trotzdem verfolgten und inhaftierten die kommunistischen Machthaber ab den 1950er Jahren religiöse Führer unter verschiedenen Vorwänden.
Um die Kirche dem Staat gefügig zu machen, setzte die kommunistische Führung in China zudem ein Staatliches Büro für religiöse Angelegenheiten ein und ließ "Patriotische Vereinigungen" regierungstreuer Geistlicher gründen. Sie ernannte eigene "patriotische" Bischöfe, die häufig keine Anbindung an die Zentrale der Kirche in Rom haben, und gründete eigene Bistümer. Die vom Papst eingesetzten Bischöfe, Priester und Missionare lebten ihren Glauben oft im Untergrund - zusammen mit ihren Gemeinden.
14 Millionen Katholiken in China
Der US-amerikanische Chinaforscher Richard Madsen gibt die Zahl der Katholiken in der Volksrepublik mit rund 14 Millionen an. Bei einer Gesamtbevölkerung von 1,4 Milliarden entspricht das gerade einmal einem Prozent. Dennoch betreibt der Staatsapparat unter der Führung von Präsident Xi Jinping einen enormen Aufwand, um die Kirche unter ihrer Kontrolle zu halten.
"Die Religion muss nach Xis Verständnis - wie alle Kulturbereiche - sinisiert werden im Sinne eines chinesischen Marxismus", erklärt China-Experte Elmar Nass von der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT). "Das heißt, auch die Religion soll ein Instrument sein zur Stärkung der Partei." Der Sozialethiker und Priester sieht hier einen grundsätzlichen Widerspruch: "Die Stärke der Kirche ist es, ein Korrektiv zu sein, gerade gegenüber totalitären Systemen. Wenn sie das nicht mehr ist, kann sie nicht mehr glaubwürdig die Botschaft des dreifaltigen Gottes verkünden."
Papst gegen Konfrontationskurs
Papst Franziskus hat in den vergangen Jahren versucht, den Konfrontationskurs der Untergrundkirche gegen die Partei abzumildern und gleichzeitig der massiven Einmischung der Behörden etwas entgegenzusetzen. So schloss der Heilige Stuhl im September 2018 ein Geheimabkommen mit China.
Es sieht vor, dass bei Bischofsernennungen grundsätzlich Einvernehmen zwischen den beiden Seiten bestehen muss, wie Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin in einem Interview im Juli 2023 verriet. Der Grund für die ungewöhnliche Offenheit des päpstlichen Chefdiplomaten war der damalige offensichtliche Unmut des Vatikans über die chinesischen Partner. Die hielten sich nämlich nicht immer an das Abkommen, das im Oktober 2022 um zwei Jahre verlängert worden war.
So versetzte China unter anderem Bischof Giuseppe Shen Bin (53) in das bedeutende Bistum Shanghai, ohne den Vatikan in die Entscheidung vorab einzubeziehen. Papst Franziskus ernannte Shen erst im Nachgang zum Bischof von Shanghai.
Kirche als politische Stimme
Die chinesische Führung zeigte sich durch solche Aktionen, dass sie weiterhin um jeden Preis eine "unpatriotische" Kirche verhindern will. Denn dies wäre auch eine Kirche, die Menschenrechtsverletzungen des Staates verurteilen und in Opposition gehen könnte.
So lässt auch der Druck auf die Untergrundgeistlichen laut Expertin Feith nicht nach - Abkommen hin oder her. "Viele Untergrundpriester fühlen sich gezwungen, sich offiziell registrieren zu lassen, was vielerorts auch schon geschehen ist", berichtet sie. "An einzelnen Orten führt dies zu einer weiteren Spaltung der Gemeinschaften."
Die nun erfolgten Bischofsweihen sind laut Feith die ersten seit der Verlängerung des Geheimabkommens. Seit der Unterzeichnung 2018 habe es insgesamt neun Bischofsweihen gegeben. Nach Informationen des China-Zentrums seien noch etwa 30 "offizielle" - also von China eingerichtete - Bischofssitze unbesetzt. In den vergangenen fünf Jahren habe die chinesische Regierung einige wenige "Untergrund"-Bischöfe anerkannt, mehr als 20 seien weiterhin nicht anerkannt.
Heiliger Stuhl zeigte sich entgegenkommend
Hilfreich bei den aktuellen Weihen war offenbar auch, dass sich der Heilige Stuhl entgegenkommend zeigte. Alle drei Bischöfe wurden laut Mitteilung des Vatikans in Übereinstimmung mit dem Geheimabkommen geweiht. Wie das Online-Portal "Asia News" berichtete, ist der neue Bischof von Zhengzhou, Taddeo Wang Yuesheng (57), der Wunschkandidat der kommunistischen Partei.
Mit der Errichtung des Bistums Weifang, das Neu-Bischof Antonio Sun Wenjun (53) leitet und das genau den zivilen Stadtgrenzen entspricht, habe sich der Vatikan an den von China gewollten Zuschnitt katholischer Diözesen angenähert. Ein solches Entgegenkommen dürfte vor allem der Untergrundkirche bitter aufstoßen. Das glaubt auch Sozialethiker Nass.
Die Beziehungen zu China sind seiner Einschätzung nach ein schwieriger Drahtseilakt für den Vatikan. Ginge er auf Konfrontationskurs, könnten das die Katholiken vor Ort zu spüren bekommen. Repressionen bis hin zu Inhaftierungen seien möglich. Andererseits dürfe sich die Kirche nicht zum Kollaborateur des Regimes machen und die "wirklichen Bekenner" im Stich lassen.
Positive Signale in Richtung China
Als Papst Franziskus im September in die Mongolei reiste, schickte er mehrfach Signale der Annäherung in die benachbarte Volksrepublik China. Er grüße das "edle chinesische Volk", sagte er bei der Abschlussmesse in Ulan Bator. "Und ich bitte die chinesischen Katholiken, gute Christen und gute Staatsbürger zu sein."
Etwa vier Monate später setzten die chinesischen Behörden den vom Papst ernannten Bischof von Wenzhou, Peter Shao Zhumin (60), fest. Shao weigere sich, der "Patriotischen Vereinigung" beizutreten, berichtete "Asia News". Rund um katholische Feiertage werde er regelmäßig festgenommen. Diesmal hätten ihm die Sicherheitskräfte aber gesagt, Kleidung für jede Jahreszeit mitzunehmen.