Menschenrechtler verurteilen Hinrichtung im Iran

"Der Botschafter sollte eine unerwünschte Person in Deutschland sein"

Erstmals seit Beginn der Proteste im Iran ist ein Demonstrant wegen angeblicher "Kriegsführung gegen Gott" hingerichtet worden. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte übt deutliche Kritik und fordert eine Reaktion.

Demonstration vor Iranischer Botschaft in Berlin / © Jörg Carstensen (dpa)
Demonstration vor Iranischer Botschaft in Berlin / © Jörg Carstensen ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie beobachten die Lage im Iran jetzt schon lange. Wie läuft denn so ein Schnellverfahren ab?

Martin Lessenthin / © Internationale Gesellschaft für Menschenrechte / IGFM
Martin Lessenthin / © Internationale Gesellschaft für Menschenrechte / IGFM

Martin Lessenthin (Vorstandssprecher bei der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte): Das Schnellverfahren verdient eigentlich den Namen Verfahren gar nicht. Es entspricht keinem Standard internationaler Rechtsstaatlichkeit. Es hat einzig und allein das Ziel, sehr schnell zu zeigen, wie groß die Muskeln derjenigen sind, die noch herrschen und die sich diesen Protesten ausgesetzt fühlen. Sie meinen, sie müssten reagieren und sie wollen reagieren mit barbarischer Härte. Sie wollen im Grunde diejenigen vernichten, die sie infrage stellen.

In diesen Schnellverfahren gibt es nicht die Möglichkeit für den Angeklagten, angemessen Stellung zu nehmen. Er hat keine entsprechende Vertretung, keinen Anwalt des Vertrauens, der ihn vertreten kann, sondern er wird im Grunde vorgeführt und in rasender Eile auf die Hinrichtung vorbereitet. Das ist allein auch schon diese Anklage "Kriegsführung gegen Gott" oder bei anderen Demokratie-Aktivisten oder Systemkritiker auch die Anklage "Verderben bringen auf Erden". Jemand, der da so angeklagt ist, hat ohnehin keine Aussicht auf Rechtsstaatlichkeit, keine Aussicht auf Freispruch und Davonkommen.

DOMRADIO.DE: Sie stufen die iranische Regierung als Terrororganisation ein. Wie begründen Sie diese Einordnung?

Lessenthin: Die iranische Regierung führt ständig Terror-Maßnahmen gegen das eigene Volk durch. Es gibt keine Möglichkeit, sich im Iran angemessen kritisch mit Regierungspolitik auseinanderzusetzen und sich zu artikulieren. Wer dies tut, muss mit schlimmster Verfolgung, ja mit Folter, Gefängnis und langjährigen Freiheitsstrafen rechnen.

Die iranische Regierung ist aber auch dafür bekannt, dass sie Terror exportiert, zum Beispiel nach Syrien oder Terror von Milizen unterstützt, die ihrerseits andere mit Terror überfallen – Stichwort Hisbollah, Stichwort Hamas. Das ist das Profil des Irans. Der Iran steht auch dazu. Er bestreitet zum Beispiel das Existenzrecht Israels. Und jeder Terror, der sich gegen Israel richtet, ist Terror.

DOMRADIO.DE: Außenministerin Baerbock kündigte eine harte Reaktion der EU an. Außerdem bestellte die Bundesregierung den iranischen Botschafter ein. Reicht das?

Lessenthin: Der iranische Botschafter sollte eine unerwünschte Person in Deutschland sein. Im Iran gibt es im Moment keine Chance, einen Dialog mit den Regierenden, mit den Machthabern zu führen, der kein Scheindialog wäre. Wir sehen ja, was passiert.

Martin Lessenthin

"Es wird gefoltert, es verschwinden Menschen. Dieser Iran ist kein Gesprächspartner."

Es werden täglich massenhaft Menschen verhaftet, es werden diese Schnellverfahren durchgeführt, es wird gefoltert, es verschwinden Menschen. Dieser Iran ist kein Gesprächspartner. Dieser Iran ist ein Ausgestoßener auf dem internationalen Parkett. Jede Art von Scheindialog und Scheindiplomatie ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer im Iran.

DOMRADIO.DE: Für Samstag ist in Köln auch eine große Demonstration angekündigt, ein "Women's March". Wie wichtig ist es, dass wir als Gesellschaft auch hier in Deutschland da ganz klar Flagge zeigen und uns an solchen Aktionen beteiligen?

Lessenthin: Wir müssen zeigen, dass wir wach sind, dass wir solidarisch sind und dass wir an der Seite der Opfer stehen. Das müssen wir als Bürger tun.

Es ist toll, wie viele auf die Straße gehen, wie viele den geflüchteten und exilierten Iranern hier beistehen und wie weit hier auch tatsächlich schon das Verständnis für die erdrückende Politik, die weder Frauen noch Minderheiten eine Möglichkeit gesellschaftlicher Beteiligung im Iran bietet, wie viele Menschen sich dessen bewusst geworden sind und dem entgegentreten. Deswegen ist auch ganz wichtig, dass in Köln wieder ganz viele auf die Straße gehen.

Das Interview führte Martin Mölder.

Iran richtet erstmals seit Beginn der Proteste Demonstranten hin

Im Iran ist erstmals seit Beginn der systemkritischen Massenproteste vor etwa drei Monaten ein Demonstrant hingerichtet worden. Ein Revolutionsgericht in der Hauptstadt Teheran habe ihn gemäß islamischer Rechtsauffassung wegen "Kriegsführung gegen Gott" zum Tode verurteilt, meldete am Donnerstag die staatliche Nachrichtenagentur Irna. Demnach soll er ein Mitglied der berüchtigten paramilitärischen Basidsch-Miliz mit einer Waffe angegriffen, Schrecken verbreitet und eine Straße blockiert haben. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verurteilte die Exekution.

Demonstration vor Iranischer Botschaft in Berlin / © Jörg Carstensen (dpa)
Demonstration vor Iranischer Botschaft in Berlin / © Jörg Carstensen ( dpa )
Quelle:
DR