Zudem bemängelte Direktorin Beate Rudolf am Mittwoch in Berlin Wohnsitzauflagen sowie die Einstufung von weiteren Ländern als "sichere Herkunftsstaaten". Das Institut legte erstmals einen Bericht über die Entwicklung der Menschenrechte in Deutschland vor, der nun an den Bundestag weitergeleitet wird. Er umfasst den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 30. Juni 2016.
Versagen des europäischen Asylsystems
Im Spätsommer 2015 habe das europäische Asylsystem versagt, so Rudolf weiter. In dieser Situation sei Deutschland aber mit der Entscheidung zur Aufnahme von Flüchtlingen seinen menschenrechtlichen Verpflichtungen gerecht geworden. Die Aufnahme habe eine "enorme Kraftanstrengung" für Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Unternehmen bedeutet. Die Asylverschärfungen der vergangenen Monate durch die Asylpakete und das Integrationsgesetz seien aber "menschenrechtlich problematisch". So werfen nach Ansicht von Rudolf Recht und Praxis der beschleunigten Asylverfahren Fragen nach Rechtsstaatlichkeit und Fairness auf.
Besorgt zeigte sich die Direktorin mit Blick auf einen wachsenden Rassismus und steigende Gewalt gegen Flüchtlinge. "Ich finde es empörend, dass Menschen das Dach über dem Kopf angezündet wird, die gerade ihre zerbombten Häuser verlassen mussten. Für Hass und Gewalt gibt es keine Rechtfertigung", so Rudolf. Angriffe auf Unterkünfte und Asylsuchende sowie Aufstachelung zu Hass und Gewalt müssten deshalb konsequent strafrechtlich geahndet werden. Rudolf forderte die Bundesregierung und alle Politiker auf, sich immer wieder klar gegen rassistische Äußerungen und Taten auszusprechen.
Kritik an Vorschlägen zu Staaten-Abkommen
Kritisch beurteilte sie Vorschläge für Abkommen mit immer neuen Staaten nach dem Muster des EU-Türkei-Abkommens. Sie gäben Anlass zu großer Sorge. "Solche Abkommen drohen den individuellen Rechtsanspruch auf Asyl in der EU zu untergraben und können zu menschenrechtswidrige Inhaftierungen und Zurückschiebungen führen", sagte Rudolf.
Weiter beschäftigt sich der Bericht mit dem Ausschluss von 84.500 Menschen mit Behinderungen vom Wahlrecht. Sie könnten eines der zentralen Rechte einer Demokratie nicht ausüben. Alle Deutschen - ob mit oder ohne Behinderungen - hätten aber das gleiche Recht zu wählen. Zudem geht der Bericht auf die Einhaltung der Menschenrechte durch Unternehmen ein. Der dafür vorgesehene Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) solle zügig verabschiedet werden, so Rudolf. Der vorgelegte Entwurf vermeide zwar eine rechtliche Verpflichtung für die Unternehmen, formuliere aber wenigstens eine klare Erwartung, dass sie ihre menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung starten.