Merkel und Ethikkommission für besonnenen Atomausstieg

"Energiewende mit Augenmaß"

Die neue Ethikkommission zur Atomenergie soll nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel über eine "Energiewende mit Augenmaß" beraten. Am Montag trat das Gremium zum ersten Mal im Kanzleramt zusammen und legte seine Arbeitsschwerpunkte fest. Ihm gehören 17 Mitglieder aus allen Bereichen der Gesellschaft an. Sie sollen nach Vorstellung der Kanzlerin bereits Ende Mai ein Ergebnis vorlegen.

 (DR)

Die Bundesregierung wolle dann Anfang Juni "eine Gesamtentscheidung zum weiteren Betrieb der Kernkraftwerke in Deutschland und zur Beschleunigung der Energiewende treffen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert im Anschluss an die Sitzung. Ziel sei ein breiter gesellschaftlicher Konsens "über die Energiewende". Hierzu solle die Ethikkommission mit ihren Empfehlungen eine wichtige Grundlage erarbeiten.



Zum Auftakt führte die Kommission Gespräche mit der Kanzlerin, Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). Als Themen nannte die Kanzlerin die Sicherheit der Kernkraftwerke, sowie die Frage, "wie schaffen wir mit einer endlichen und möglichst kurzen Laufdauer der Kernkraftwerke eine Energiewende mit Augenmaß und welche Zielkonflikte gibt es dabei?"



Als Beispiele für mögliche Konflikte nannte sie die Auswirkungen eines Ausstiegs aus der Kernenergie für die Klimaschutzziele sowie die Frage des Imports von Strom. Für ihre Beratungen soll die Kommission Mitte Mai von der Reaktorsicherheitskommission die technischen Ergebnisse der Überprüfung der Atomreaktoren erhalten. Sie solle dann entscheiden, "wie mit den Risiken, die aus der Nutzung der Kernenergie entstehen, verantwortlich umgegangen werden kann, und das in Einklang bringen mit einer in sich schlüssigen Energiewende hin zum Zeitalter der erneuerbaren Energien", so die Kanzlerin.



Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Jürgen Trittin, forderte Merkel hingegen zum Handeln auf. "Solange die Verlängerung der Laufzeiten nicht rückgängig gemacht wird, können Eon, RWE und Co mit der Regierung Katz und Maus spielen". Damit drohe die Arbeit der Kommission folgenlos zu bleiben.



Den Vorsitz der Kommission haben der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) und der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Matthias Kleiner. Beide warnten vor einem übereilten Ausstieg aus der Atomtechnik. Sie sehen jedoch auch keine langfristige Zukunft für Atomstrom.



Töpfer verwies im rbb-Inforadio auch auf die soziale Problematik eines schnellen Atomausstiegs durch hohe Energiepreise. Zudem kritisierte er Energieverschwendung. Kleiner erklärte im Magazin der DFG, die Bilder aus Fukushima hätten ihm als Ingenieur die "Begriffe Demut, Vorsicht und Zurückhaltung ins Bewusstsein gebracht". Für die Wissenschaft bedeute die Katastrophe in Japan eine Zäsur.



In der "Süddeutschen Zeitung" (Dienstag) riefen der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Baden, Ulrich Fischer, und der Präsident des Zentralrats der Katholiken, Alois Glück, zur Bewahrung der Schöpfung auf. Sie sind neben dem Münchner Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, die Kirchenvertreter in dem Gremium. Die Christen hätten die Verpflichtung, "sich für eine schöpfungsverträgliche Lebensgestaltung einzusetzen", so Fischer. Dazu gehöre auch eine Minimierung der Risiken bei der Energieerzeugung. Glück warnte vor einer "Machbarkeits- oder Nützlichkeitsideologie".



Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, forderte erneut einen Ausstieg aus der Atomenergie. Seit Jahren kritisierten evangelische Synoden die Atomkraft, sagte er der "Neuen Ruhr/Neuen Rheinzeitung" (NRZ). Derzeit werde in der EKD darüber diskutiert, ob sie alle Christen auffordern solle, auf Ökostrom umzusteigen.



Die Bundesregierung hatte die Kommission nach den dramatischen Ereignissen im japanischen Atomkraftwerk von Fukushima ins Leben gerufen, um einen breiten gesellschaftlichen Konsens bei der Wende in der Energiepolitik zu erreichen.