Nicht einmal die Angehörigen sind sicher. Jose Marcelino Perez Aguilar, Ehemann der Kandidatin für das Bürgermeisteramt im mexikanischen Cuitzeo, starb durch einen Mordversuch auf seine Ehefrau Rosa Elia Milan Pintor. Das Ehepaar wurde vor wenigen Tagen in der Unruheprovinz Michoacan überfallen - dort, wo die Drogenmafia besonders aktiv ist.
Rosa Elia Milan hat sich für das Linksbündnis Morena PT im Rennen um die kommunale Aufgabe beworben. Und irgendjemand in dem herrschenden undurchschaubaren Geflecht aus Korruption, politischer Macht und organisierter Kriminalität in Michoacan empfand diese Kandidatur offenbar als Bedrohung.
20.000 Ämter stehen zur Verfügung
Fast 130 Kandidatinnen und Kandidaten sind vor dem Superwahlsonntag in Mexiko getötet worden. Zur Verfügung stehen etwa 20.000 Ämter: 500 nationale Abgeordnete, 15 Gouverneure, etwa 1.000 Landtagsabgeordnete, rund 1.900 Bürgermeisterämter, knapp 14.500 Stadträte und circa 2.000 kommunale Rechtsbeistände.
Die Wahl gilt auch als Halbzeitzeugnis für die insgesamt sechs Jahre andauernde Amtszeit von Präsident Andres Manuel Lopez Obrador. "AMLO", wie ihn seine Anhänger rufen, hatte Mitte 2018 die Präsidentschaftswahlen gewonnen und wird noch weitere drei Jahre im Amt bleiben. "AMLO" erklärte selbst, es habe bei früheren Wahlen weniger Tote gegeben.
220.000 Menschen mit Corona gestorben
Eines seiner zentralen Wahlkampfversprechen war die Reduzierung der Mordrate und Eindämmung der Kriminalität. Beides gelang bisher nicht, im Gegenteil: Mexiko erlebte 2020 mit mehr als 35.000 Morden eines der blutigsten Jahre seiner Geschichte.
Auch die Corona-Pandemie hat das Land schwer getroffen: 220.000 Menschen starben nach offiziellen Angaben an den Folgen einer Infektion, die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein. Die wirtschaftlichen Folgen sind auch in Mexiko allerorts zu spüren.
Adveniat zur Wahl
"Die Wahlen bieten die Chance, dass die Wählerinnen und Wähler durch ihr Votum verantwortungsvoll die Zukunft ihres Landes mitgestalten und sich damit an der Lösung der vielen Probleme beteiligen," sagt Reiner Wilhelm, Länderreferent für Mexiko beim Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat.
Mexikos Kirche ermunterte dazu, trotz der Gewalt an den Wahlen teilzunehmen. Die Bischofskonferenz forderte, dass alle "Mexikanerinnen und Mexikaner das Recht auf eine Stimmabgabe in einer freien, geheimen und bewussten Weise ausüben können". Mexiko müsse bekräftigen, dass es eine ethnisch und kulturell vielfältige Nation ist, die stets nach Wegen der Versöhnung und einer authentischen Souveränität gesucht habe.
Kamala Harris wird im Land erwartet
Nicht auf dem Wahlzettel, aber dennoch auf dem Prüfstand steht auch Präsident Lopez Obrador. Kritiker werfen ihm vor, er plane im Hintergrund eine Verfassungsänderung, um die Begrenzung der Amtszeit auszuhebeln.
Unmittelbar nach den Wahlen wird US-Vizepräsidentin Kamala Harris im Land erwartet. Dann geht es um das Thema Migration. Die Biden-Regierung hat bereits einige Kurswechsel vorgenommen und verspricht eine humanere Flüchtlingspolitik, braucht aber Mexiko als Partner, um Migrationsbewegungen zu kontrollieren und organisieren.
Heinz: Humanitäre Migrationspolitik Mexikos wichtig
"Um die tiefgreifenden Probleme in Mexiko zu lösen, ist zunächst einmal eine fundamental andere Politik des Westens auch in der Bekämpfung der Drogenkartelle notwendig", sagt Adveniat-Geschäftsführer Pater Michael Heinz. "Dazu zählt unter anderem auch ein Stopp der legalen und illegalen Waffenlieferungen aus den USA in Richtung Mittelamerika." Mexiko brauche nicht noch mehr Waffen, sondern Arbeitsplätze und Hoffnung.
Darüber hinaus ist für Heinz eine humanitäre Migrationspolitik Mexikos und der USA wichtig, denn vor allem Migrantinnen und Migranten sind von der Gewalt in Mexiko betroffen. Sie sind brutalen Menschenhändlern und Drogenbanden oft schutzlos ausgeliefert. Immer wieder kommt es zu Massakern an Migranten. Gewalt und Kriminalität bleiben die zentralen Übel in dem 130-Millionen-Land.