Bonifatiuswerk: Ein Leben als Teeniestar, Bettelmönch und Solokünstler: Wie erklärst du dir diese Metamorphose?
Michael Patrick Kelly (Musiker und Komponist): Die erste Phase meines Lebens habe ich gar nicht gewählt. Ich wurde in eine singende Familie geboren und wollte als Kind genau das tun, was meine älteren Geschwister machten, nämlich Musik. Die Bühne war für mich wie so ein Spielzimmer. Dann habe ich relativ früh angefangen, Songs zu schreiben, wie "An Angel", mit dem wir als Family-Band den großen Durchbruch hatten. Mit 18 Jahren wurde ich musikalischer Chef und Produzent der Band und für acht Jahre war das eine unglaubliche Zeit, in der ich viel gelernt und gesehen habe.
Irgendwann fühlte ich mich aber ausgebrannt und brauchte einen Schnitt. So kam es zu meiner sechsjährigen Zeit im Kloster, in der ich mein Leben neu ordnen und meinen Glauben ernsthaft vertiefen konnte. Anfangs war die Stille sehr schwer für mich zu ertragen, aber mit der Zeit habe ich mich richtig in sie verliebt, sodass ich heute in fast allen meinen Konzerten eine Schweigeminute einbaue. Die Stille hat mir geholfen, mein Inneres zu entdecken. Diese Erfahrungen fließen heute mit in meine dritte Lebensphase ein – in die eines Solokünstlers.
Bonifatiuswerk: Dein Album und deine Tour heißen: "iD" - Identität. Was macht für dich Identität aus?
Kelly: Was die Identität einer Person prägt, kann man vielleicht auf drei Dinge herunterbrechen. Ich glaube, dass die biologische Veranlagung die Basis von allem ist - ob ich als Junge oder Mädchen geboren werde, ob ich Fähigkeiten für dieses oder jenes habe. Das Zweite ist die Prägung, die man als Kind, als Jugendlicher bekommt, sei es durch die Kultur, die Sprache, die Mentalität oder die Erziehung der Eltern oder der Schule. Das Umfeld prägt unsere Identität.
Das Dritte und vielleicht Wichtigste sind die Entscheidungen, die wir treffen. Wir sind ja keine Marionetten, die von einer höheren Gewalt manipuliert werden, sondern wir haben die Freiheit, zu entscheiden, was wir tun. Bis zu einem gewissen Grad können wir dies auch frei tun. Das, wofür ich mich entscheide, zu lieben oder zu hassen, zu geben oder zu nehmen, das macht unsere Identität aus. Wenn ich sehe, wie Menschen sich an Bahnhöfen oder Flughäfen in den Arm nehmen oder weinen, weil sie sich verabschieden, dann denke ich: Wow, die Welt ist doch noch voller Liebe. Sich trotz aller Wunden immer wieder für die Liebe zu entscheiden, ist das Schönste in uns Menschen an unserer iD.
Bonifatiuswerk: Sinngemäß hat Papst Franziskus gesagt: Künstler sind Botschafter der Schönheit. Was wünschst du dir als Künstler von der Kirche?
Kelly: Dass die Tore weit aufgemacht werden, wie Papst Johannes Paul II. gebeten hatte. Damit etwas Neues geschehen kann. Etwas, was wir nicht als Menschen kontrollieren und bestimmen, sondern dass wir einfach Platz für den rûaḥ, den Schöpfergeist, machen. Dieses Öffnen und Sich-Frei-Machen von pharisäischer Rechthaberei ist sehr wichtig. Ich möchte aber hinzufügen, dass ich sehr dankbar für die vielen Menschen in der Kirche bin, die Mut haben, sich auf Neues einzulassen und scheinbaren Gegensätzen entgegentreten. In der Begegnung wird vieles, was es an Vorurteilen gibt, relativ.
Bonifatiuswerk: Was gibt dir heute für Dein Leben Kraft?
Kelly: Meine Frau, die Musik und das Gebet.
Das Interview führten Patrick Kleibold und Georg Austen. (Erschienen im neuen Bonifatiusblatt)