Militärseelsorge steht für Gespräche bereit

"Nicht alleine mit sich selbst ausmachen"

Der Krieg in der Ukraine und der Kurswechsel in der deutschen Verteidigungspolitik beeinflusse auch die deutschen Soldatinnen und Soldaten. Es bestehe Redebedarf, so Norbert Stäblein von der Katholischen Militärseelsorge.

Bundeswehrsoldaten / © Daniel Reinhardt (dpa)
Bundeswehrsoldaten / © Daniel Reinhardt ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie weit berührt diese Lage das deutsche Militär?

Norbert Stäblein (Pressesprecher der Katholischen Militärseelsorge): Ich glaube, dass die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sehr berührt sind, weil zum ersten Mal seit mehr als 70 Jahren die Konflikte wieder nahezu vor der Haustür sind. Rund zwei Flugstunden von Berlin entfernt sind fürchterliche Kämpfe, die Zivilbevölkerung treffen, genauso wie Militärs. Und das kann die Soldatinnen und Soldaten nicht unberührt lassen.

DOMRADIO.DE: Was ändert sich zu sonstigen Zeiten? Wie nehmen Sie den Wechsel durch die vermeintlich direktere Bedrohung wahr?

Ukraine, Iwano-Frankiwsk: Bewaffnete Soldaten patrouillieren in der westukrainischen Stadt / © ukrinform (dpa)
Ukraine, Iwano-Frankiwsk: Bewaffnete Soldaten patrouillieren in der westukrainischen Stadt / © ukrinform ( dpa )

Stäblein: Ich kann hier nur von den Gesprächen reden, wo sich Soldatinnen und Soldaten geäußert haben. Da ist eine gewisse Unsicherheit, eine Unruhe, die sich dadurch manifestiert, dass sich mit den Verlegungen zum Beispiel nach Litauen oder dem Vorhaben, eine Kompanie in die Slowakei zu verlegen, und den Schiffen und Booten, die in der Ostsee jetzt eingesetzt werden, diese Unsicherheit auch auf die Familien überträgt. Und das macht etwas mit den Soldatinnen und Soldaten, was vorher noch nicht so da gewesen ist.

DOMRADIO.DE: Die katholische Militärseelsorge hat, wie alle anderen Bistümer und Erzbistums und Diözesen den Aufruf der Deutschen Bischofskonferenz zum Friedensgebet übernommen. Wo kann man sich an diesen Gebeten beteiligen?

Militärseelsorge

Nach dem Soldatengesetz hat jeder Soldat und jede Soldatin Anspruch auf Seelsorge und ungestörte Religionsausübung.

Bislang leisten in der Bundeswehr die evangelische und die katholische Kirche sowie die jüdische Gemeinschaft eine vertraglich vereinbarte Militärseelsorge für die Soldaten und deren Angehörige.

Soldaten der Bundeswehr / © Daniel Reinhardt (dpa)
Soldaten der Bundeswehr / © Daniel Reinhardt ( dpa )

Stäblein: Die Pfarrämter und die Kirchen der katholischen Militärseelsorge, und in der Regel auch die der evangelischen Kolleginnen und Kollegen, sind offen. Das heißt in den Standorten, in denen es katholische Militärpfarrämter gibt, werden Friedensgebete angeboten, in der Regel zurzeit einmal wöchentlich oder zweimal wöchentlich. Seit dem 25. Februar ist das schon so.

Und die Militärpfarrämter haben die Türen offen. Wenn das Gespräch gewünscht ist, sind die Seelsorgerinnen und Seelsorger da. Und das unabhängig von Konfession, von Glauben, von Kultur oder von Dienstgrad.

DOMRADIO.DE: Die Soldatinnen und Soldaten selber, die verfolgen die Entwicklung und stündlichen neuen Meldungen auch. In ihren Köpfen werden sich viele Gedanken um die Kriegssituation drehen. Ihre katholischen Seelsorgerinnen und Seelsorger stellen sich darauf ein, direkt darauf eingehen zu können, wenn jemand mit ihnen reden möchte. Haben Soldatinnen und Soldaten diesbezüglich schon vermehrt Kontakt aufgenommen?

Stäblein: Vermehrt können wir noch nicht feststellen, weil wir glücklicherweise immer als Anlaufstelle dienen. Aber es gab Fragen und Unsicherheiten, die im Gespräch geklärt werden sollten. Zum Beispiel, was es mit der Familie macht, wenn der Papa oder die Mama nach Litauen gehen müssen, um dort in der Kompanie zu sein. Da stehen wir zur Verfügung.

Es gibt auch ganz konkret mehrere Fälle, in denen nachgefragt wurde, wenn zum Beispiel jemand russischstämmig ist und jetzt in Deutschland angefeindet wird, wie man damit umgehen soll. Auch dafür stehen unsere Seelsorgerinnen und Seelsorger Rede und Antwort. Und es wurde nachgefragt, das Thema Ukraine und Krieg in einem sogenannten lebenskundlichen Unterricht aufzugreifen und zu behandeln.

DOMRADIO.DE: Haben Sie einen Tipp, wie man persönlich vielleicht auch mit der Situation umgehen kann, Stichwort" Medienflut"?

Norbert Stäblein (Pressesprecher der Katholischen Militärseelsorge)

"Ganz wichtig: Bitte nicht alleine mit sich selbst ausmachen."

Stäblein: Das ist ein ganz wichtiges Thema, das Sie ansprechen. Dafür bin ich Ihnen dankbar. Es kommt darauf an, dass nicht jeder Einzelne mit sich selbst versucht, diese schrecklichen Bilder, diese schrecklichen Meldungen auszumachen und versucht herauszufinden, wie man mit seinem Gewissen jetzt umgeht. Genau in diesem Moment brauchen wir Kameradinnen und Kameraden, aber auch Seelsorgerinnen und Seelsorger, Ansprechpartner, die einen etwas anderen Denkwinkel an uns heran bringen und die dort Mut machen, die dort beiseite stehen oder die vielleicht einfach nur mal zuhören. Ganz wichtig: Bitte nicht alleine mit sich selbst ausmachen.

Das Interview führte Katharina Geiger.

Quelle:
DR
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