Millionen Menschen erleiden Hungersnot in Afrika

"Das ist die schlimmste Dürre, die ich jemals erlebt habe"

In vielen Staaten Afrikas leiden Menschen unter anhaltender Dürre. Doch dass nun eine Katastrophe droht, hat oft auch noch andere Ursachen als den Klimawandel.

Hungersnot im Südsudan / © Daniel Maissan (epd)
Hungersnot im Südsudan / © Daniel Maissan ( epd )

Die Berichte gleichen sich. "Das ist die schlimmste Dürre, die ich jemals erlebt habe", sagt ein 85-jähriger Dorfbewohner aus dem Norden Somalias. Im Südsudan ist die Bevölkerung "fast vollständig abhängig von Hilfe", so Ärzte ohne Grenzen-Vertreter Michael Keizer im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Die Berge und Weiden sind sehr trocken und kahl, viele Tiere sind gestorben", schreibt der Berater des katholischen Hilfswerks Misereor, Atsbaha Gebre-Selassie, über die Situation in Äthiopien. "Wasser mus in Tanklastern angeliefert werden und kostet entsprechend viel Geld", berichtet Misereor-Regionalreferentin Barbara Schirmel über die Lage in Marsabit im Norden Kenias.

Äthiopien sieht sich der schlimmsten Dürre seit Jahren ausgesetzt. https://t.co/UwEbRN4eDU pic.twitter.com/bkQLM7Pv9u

— MISEREOR (@Misereor) 27. Februar 2017

Nicht nur Naturphänomene Schuld

Eine lang anhaltende Dürre hat zahlreiche Länder Afrikas fest im Griff. Besonders dramatisch ist die Situation in Nigeria sowie im Osten des Kontinents. Dort hungern laut UN-Angaben inzwischen 21 Millionen Menschen. Experten machen dafür das pazifische Wetterphänomen El Nino verantwortlich. Regenzeiten blieben aus, Ernten wurden vernichtet.

Doch das ist nur ein Teil des Problems. Hinzu kommen Konflikte, politische Machtkämpfe sowie ein chronischer Geldmangel bei der humanitären Soforthilfe. Es gibt einfach zu viele Krisen in der Welt. Und oftmals zu wenig Bereitschaft seitens der Geber, ihren Zusagen nachzukommen.

Hilfsmaßnahmen unabkömmlich

Zwar stellte allein das Auswärtige Amt Ende Februar 16,5 Millionen Euro für humanitäre Hilfsmaßnahmen am Horn von Afrika bereit; im vergangenen Jahr flossen 28,5 Millionen Euro. Doch die internationale Staatengemeinschaft wird vermutlich ein Vielfaches investieren müssen, um wenigstens die schlimmste Not zu lindern. Fällen von Nachbarschaftshilfe so wie eine unlängst erfolgte Lieferung von Lebensmitteln und Tierfutter aus Äthiopien nach Somalia stehen zudem krasse Fälle von politischem Versagen gegenüber.

In Kenia etwa rief die Regierung erst unter dem massiven Druck der Kirchen den Notstand aus, wie Misereor-Vertreterin Barbara Schirmel erläutert. "In Kenia ist Wahlkampf - und eine Dürrekatastrophe passt nicht ins Konzept." Zudem fehle es an langfristigen Konzepten für die betroffenen Regionen. "Die Haupttrockengebiete werden seit vielen Jahren von der jeweiligen Regierung marginalisiert und haben immer wenig Unterstützung erhalten."

Katastrophale Lage im Südsudan

Besonders fatal ist die Lage im Südsudan. "Die Vereinten Nationen unterhalten dort schon seit vielen Jahren eines der, wenn nicht das größte Ernährungshilfsprogramm weltweit", sagt Schirmel. "Anders als in Kenia oder Äthiopien ist die Hungerkrise eine direkte Folge des Bürgerkriegs, der seit 2013 tobt." Die Menschen hätten ihre Dörfer verlassen oder trauten sich nicht mehr, ihre Felder zu bestellen.

Die Kämpfe haben auch massive Folgen für die Helfer. "Wo Krieg herrscht, gibt es Angriffe und eine ständige Gefahr für unsere Mitarbeiter", sagt Ärzte ohne Grenzen-Vertreter Keizer. Barbara Schirmel, die kürzlich selber im Südsudan war, nennt noch andere Probleme. "Die Straßeninfrastruktur im Südsudan ist erbärmlich schlecht." Hilfskonvois müssten zudem Schmiergelder an Rebellen und Regierungssoldaten zahlen, weil sichere Korridore fehlten.

Mangelernährung im Südsudan: Unsere Teams haben einen Notfalleinsatz gestartet, die Aussichten sind jedoch düster: https://t.co/98tMo3OHGu pic.twitter.com/ojxN9muzWf

— Ärzte ohne Grenzen (@msf_de) 22. Februar 2017

Damit nicht genug: "Seit über einem Jahr ist der Geldverkehr nahezu zum Erliegen gekommen", sagt Schirmel. Hilfsorganisationen hätten große Dollarsummen auf südsudanesischen Konten liegen. "An die kommen sie aber nicht mehr heran, weil die Banken keine Barmittel mehr haben, um die entsprechenden Auszahlungen zu tätigen."

"Marshallplan mit Afrika"

Dass sich die Bürgerkriegsparteien nicht einigen, liegt ihrer Ansicht nach auch an mangelndem Druck aus dem Ausland. "Die afrikanischen Nachbarstaaten haben ihre eigenen Interessen am Südsudan." Dabei gehe es unter anderem darum, über welchen Weg das südsudanesische Öl transportiert wird. Und wer die Durchleitungsgebühren für die Pipeline kassiert.

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) stellte unlängst seinen "Marshallplan mit Afrika" vor, sein Kabinettskollege Wolfgang Schäuble (CDU) wirbt im Rahmen des Programms «Compact with Africa» um Investitionspartnerschaften. Ambitionierte Projekte - aktuell ist jedoch in vielen Ländern Afrikas Nothilfe gefragt. Wieder einmal.


 Michael Keizer, stellvertretender Leiter von Ärzte ohne Grenzen im Südsudan (KNA)
Michael Keizer, stellvertretender Leiter von Ärzte ohne Grenzen im Südsudan / ( KNA )
Quelle:
KNA