Misereor-Experte zu UN-Konferenz über Entwicklungsfinanzierung

"Relativ bescheiden"

Heute geht in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba die dritte UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung zu Ende. Im Interview zieht Misereor-Experte Klaus Schilder eine erste Bilanz.

Addis Abeba / © Nadine Thielen
Addis Abeba / © Nadine Thielen

KNA: Herr Schilder, "Entwicklungsfinanzierung" ist ein sehr abstrakter Begriff. Worum geht es bei der Konferenz in Addis Abeba?

Klaus Schilder (Misereor-Experte): Zuallererst um die Frage, wie sich die großen Entwicklungsziele künftig finanzieren lassen. Ein großes Thema ist, welche Rolle die Privatwirtschaft dabei spielen kann - Stichwort: "Public Private Partnership". Gemeint sind damit gemeinsame Vorhaben von Regierungen und Unternehmen.

KNA: Ein Ansatz, der immer wieder für Kritik sorgt.

Klaus Schilder: Und der deswegen daraufhin zu prüfen ist, ob die richtige Balance zwischen freiwilligem unternehmerischen Handeln und einer notwendigen sozial-ökologischen Regulierung gefunden wird.

KNA: Ein weiterer Punkt ist offenbar die Debatte über Reformen der internationalen Steuersysteme. Warum ist das aus entwicklungspolitischer Sicht so wichtig?

Klaus Schilder: Den Entwicklungsländern entgehen jährlich bis zu einer Billion US-Dollar an finanziellen Ressourcen durch illegale Kapitalabflüsse. Das ist ein Vielfaches der jährlichen Entwicklungszusammenarbeit. Wenn Sie diesen Kanal schließen, könnten viele Staaten besser als bisher einheimische Mittel für nachhaltige Entwicklungsstrategien einsetzen.

KNA: Deutschland hat zusammen mit anderen in Äthiopien die "Addis Tax Initiative" vorgestellt - ein Schritt in die richtige Richtung?

Klaus Schilder: Das Programm soll die Steuerverwaltung in Entwicklungsländern stärken. Das ist natürlich zu begrüßen, geht aber am eigentlichen Problem vorbei.

KNA: Das da wäre?

Klaus Schilder: Hauptstreitpunkt war in den vergangenen Tagen, wie die Vereinten Nationen bei der Diskussion um Reformen der internationalen Steuerpolitik eingebunden werden. Bislang finden diese Diskussionen vor allem im Rahmen der OECD und der G20 statt, das heißt im Club der reichen Industrieländer. Die Entwicklungsländer beklagen, dass sie bei den Entscheidungen nicht ausreichend beteiligt sind, und fordern zusammen mit der Zivilgesellschaft künftig Mitsprache im Rahmen einer zwischenstaatlichen Kommission für internationale Steuerpolitik.

KNA: Woran hakt es?

Klaus Schilder: Die Europäische Union, vor allem die Industrieländer, stehen diesem Vorschlag bislang ablehnend gegenüber. Wir würden uns wünschen, dass Deutschland hier stärker eine Führungsrolle übernimmt und diese Debatte mit einem konkreten Kompromissvorschlag voranbringt.

KNA: In der EU steht derzeit wahrscheinlich eher das Thema "Grexit" auf der Tagesordnung. Inwiefern hat sich das auf die Verhandlungen in Addis Abeba ausgewirkt?

Klaus Schilder: Es ist klar, dass die internationalen Geber und ihre öffentlichen Kassen klamm sind. Nicht zuletzt durch die enormen Hilfspakete, die sie für Griechenland schnüren mussten. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Zusagen für zusätzliche Mittel für Entwicklungszusammenarbeit.

KNA: Immerhin wurde das Ziel, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe auszugeben, in Addis Abeba noch einmal bekräftigt.

Klaus Schilder: Ja, aber es fehlt ein konkreter Zeitplan, bis wann man die 0,7-Prozent-Marke erreichen will. Einen solchen Zeitplan wollten all die Geber, die das Ziel noch nicht erreicht haben, - also auch Deutschland - in Addis Abeba nicht auf den Tisch legen.

KNA: Was bleibt aus Ihrer Sicht unterm Strich von der Konferenz, die die beiden großen UN-Gipfel zu den nachhaltigen Entwicklungszielen im September in New York und zum Klimawandel im Dezember in Paris vorbereiten sollte?

Klaus Schilder: Ambitionen und Umfang der Zusagen sind relativ bescheiden. Ich kann es am Beispiel der öffentlich-privaten Partnerschaften deutlich machen. Da ist ein deutliches Übergewicht hinsichtlich der Betonung freiwilliger Partnerschaften mit der Wirtschaft im Text zu finden. Die Frage der verbindlichen Beachtung der Menschenrechte und von Nachhaltigkeitsstandards hingegen bleibt auf der Strecke.

KNA: Und wie steht es um die Mobilisierung zusätzlicher Gelder und die Reform des Finanzwesens?

Klaus Schilder: Es soll einen Folgeprozess auf UN-Ebene geben, um sicherzustellen, dass die in Addis Abeba gemachten Zusagen wirklich eingehalten werden. Aber ich habe starke Zweifel, ob das ausreicht, um genügend Druck zu machen.


UN-Konferenz in Addis Abeba (dpa)
UN-Konferenz in Addis Abeba / ( dpa )
Quelle:
KNA