domradio.de: Was hat ihnen der Kardinal von Papua Neuguinea denn erzählt? Wie sieht die Situation aus, was den Klimawandel betrifft?
Pirmin Spiegel (Geschäftsführer der katholischen Hilfsorganisation Misereor): Zuerst möchte ich eine kleine Geschichte von Kardinal Ribat erzählen. Für ihn war es ganz überraschend, dass er zum Kardinal ernannt wurde. Nachdem der Nuntius in Papua Neuguinea ihm diese Botschaft übermittelt hatte, stand für ihn fest, er möchte zum weltweiten Anwalt für die vom Klimawandel betroffenen Menschen werden. Dafür, so Kardinal Ribat, wolle er sich mehr Kenntnisse über die Zusammenhänge des Klimawandels aneignen. Als wir davon erfahren haben, haben wir ihn sehr gerne eingeladen, eine Woche bei uns in Aachen zu sein. Ziel war es, sich mit unseren Experten und unseren Erfahrungen, auch zur Situation des Klimawandels in anderen Ländern, auseinander zu setzen.
domradio.de: Und was erzählt er über die Situation in Papua Neuguinea?
Spiegel: Ich möchte einige Beispiele schildern: Kardinal Ribat sagte, es berühre das Herz der Menschen in seiner Heimat, wenn Orte, an denen bis vor wenigen Jahren Lebensräume für Fischer und ihre Familien waren, jetzt vom Salzmeer überschwemmt werden. Ribaberiki Kiribati ist ein Inselstaat Mitten im Pazifik. Etwa 2.000 Inseln sind bewohnt. Es ist jedoch absehbar, dass viele dieser Inseln in wenigen Jahren keine Zukunftsperspektive mehr haben, sollte das Ansteigen des Meeresspiegels weiter so voranschreiten. Das bedeutet, dass Orte, an denen jahrhundertelang buntes Leben und Treiben herrschte, bald keine Zukunft mehr haben. Er erzählt, dass bereits jetzt jüngere Leute sagen: "In 30 bis 40 Jahren werden wir hier nicht mehr leben können." Diese Leute ziehen dann in die großen Städte. Das heißt, die Auswirkungen der Klimaveränderungen sind nicht nur Zukunftsfragen, sondern bereits jetzt Alltag im Leben vieler dieser Menschen.
domradio.de: Eine der wichtigsten Maßnahmen gegen den Klimawandel ist das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015. Die USA unter Trump sind raus aus dem Abkommen und auch die Türkei diskutiert gerade, ob Sie diese Politik weiter verfolgen soll. Mal ganz ehrlich gesprochen: Kriegen wir die Umsetzung des Abkommens überhaupt noch hin?
Spiegel: Als Christ geht die Hoffnung als Letztes verloren. Ich bin überzeugt, dass wir es noch hinkriegen. Wir dürfen allerdings nicht nur von nationalen Interessen ausgehen. Stattdessen müssen wir die Interessen und die Umstände der bereits heute vom Klimawandel betroffenen Menschen mit im Blick haben. Das heißt, es ist eine globale Herausforderung. In meinen Augen ist der Pariser Klimagipfel eine Erfolgsgeschichte. Er hat gezeigt, dass es möglich ist, fast 200 Staaten zum Ja-sagen zu bewegen. Der Klimawandel ist nicht nur eine lokale oder nationale Herausforderung, sondern eine Frage der Zukunftsfähigkeit der Menschheit.
domradio.de: Es stellt sich also für jeden von uns die Frage, welchen Beitrag kann ich leisten?
Spiegel: Wir bei Misereor sind auf drei Wegen gleichzeitig unterwegs. Einmal fordern wir von der deutschen Bundesregierung, dass Sie Ihre eigenen Zusagen zur Treibhausgasemission einhält oder dass der Austritt aus Kohle, sozialverträglich mit den Betroffenen gestaltet wird. Zweitens wollen wir informieren, über die Schäden und Verletzungen in anderen Ländern, die bereits heute unmittelbar vom Klimawandel betroffen sind. Und drittens, wollen wir als Hilfswerk, mit den Partnern vor Ort zusammenarbeiten, um einen Solidaritätsbeitrag für die Betroffenen zu leisten.
domradio.de: Es ist Wahlkampf. Im September wird eine neue Bundesregierung gewählt. Welche Rolle spielt das Christ-sein mit Blick auf unsere politischen Entscheidungen? Insbesondere wenn es um Themen wie Klimawandel und Entwicklungszusammenarbeit geht?
Spiegel: Papst Franziskus hat mit dem Apostolischen Schreiben "Evangelii gaudium" und der Enzyklika "Laudato Si" einen ganz wichtigen Beitrag für diese Fragestellung geleistet. Er nennt es: „Die Sorge um das gemeinsame Haus." Franziskus will, dass wir den Schrei der Armen, den Schrei der Schöpfung und den Schrei des Meeres hören. Für uns bedeutet das, wir laden die für den Bundestag Kandidierenden ein, sich mit diesen Fragen auseinander zu setzen.
domradio.de: Wie wird die Frage des Klimas und den damit einhergehenden Veränderungen im Parteiprogramm behandelt?
Spiegel: Wir wissen, dass momentan andere Themen Priorität haben: Sicherheit und Flüchtlinge zum Biespiel. Wir laden ein, auch diejenigen die gerade diesen Beitrag hören, sprechen Sie die Kandidaten an, die für den Bundestag kandidieren. Drängen Sie die politisch, wirtschaftlich und sozial Verantwortlichen sich mit dieser Frage auseinander zu setzen. Der andere Punkt: Wir laden auch jeden einzelnen Bürger ein, die eigene Lebensweise, die eigenen Mobilität zu überprüfen, um sowohl individuell, einen Beitrag zu leisten, als auch die politisch Verantwortlichen immer wieder an ihre Verantwortung für einen nachhaltigen Erdplaneten zu erinnern.
Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.