Misereor hilft Katastrophen-Opfern in Pakistan

"Die Situation ist wirklich sehr grausam"

Pakistan erlebt dieses Jahr den heftigsten Monsunregen seit Jahrzehnten. Mindestens 1.300 Menschen sind durch Überflutungen gestorben. Das Hilfswerk Misereor mahnt, die Menschen auch langfristig beim Wiederaufbau zu unterstützen.

Überschwemmungen in Pakistan / © Fareed Khan (dpa)
Überschwemmungen in Pakistan / © Fareed Khan ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was berichten denn Ihre Projektpartner vor Ort? Wie sieht es aus in Pakistan? 

Anna Dirksmeier (Pakistan-Länderreferentin bei Misereor): Die Situation ist wirklich sehr grausam. Wir haben ungefähr 30 Partnerorganisationen in Pakistan, die wir unterstützen und so gut wie alle haben schon mit dringenden Hilfeaufrufen reagiert. 116 der 160 Distrikte sind betroffen. Das heißt, das ist schon weit über die Hälfte des Landes. Das ist ein Ausmaß, das geht auch an den Partnern nicht vorbei. Es ist wirklich schrecklich, denn viele der Zielgruppen, die betreut werden, sind immer noch nicht zu erreichen. 

Überflutungen in Pakistan / © Fareed Khan (dpa)
Überflutungen in Pakistan / © Fareed Khan ( dpa )

DOMRADIO.DE: Seit Mitte Juni haben die schwersten Monsunregen seit mehr als drei Jahrzehnten stattgefunden. Mindestens 1.300 Menschen sind ums Leben gekommen. Das sind unglaubliche Überschwemmungen und auch unglaubliche Auswirkungen, die selbst für Pakistan stärker sind, als man es da gewohnt ist? 

Anna Dirksmeier, Pakistan-Länderreferentin bei Misereor

"Man hätte besser darauf vorbereitet sein können und müssen."

Dirksmeier: Man hätte aber trotzdem besser darauf vorbereitet sein können und müssen. Es gab immer schon Überschwemmungen, aber natürlich nicht in diesem Ausmaß. Dass das  in der Stärke das Land getroffen hat, liegt daran, dass wir im Frühjahr dort bereits Höchsttemperaturen von 50 Grad Celsius hatten, was das Land noch nie erreicht hat. Dadurch sind die Gletscher geschmolzen und von den Bergen kamen sturzflutartig die Wassermassen runter.

Bischöfliches Hilfswerk Misereor

Misereor ist das weltweit größte kirchliche Entwicklungshilfswerk. Es wurde 1958 von den katholischen Bischöfen in Deutschland auf Vorschlag des damaligen Kölner Kardinals Josef Frings als Aktion gegen Hunger und Krankheit in der Welt gegründet.

Der Name bezieht sich auf das im Markus-Evangelium überlieferte Jesuswort "Misereor super turbam" (Ich erbarme mich des Volkes). Sitz des Hilfswerks ist Aachen.

Logo des Bischöflichen Hilfswerks Misereor in einem Schaufenster / © Julia Steinbrecht (KNA)
Logo des Bischöflichen Hilfswerks Misereor in einem Schaufenster / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Gleichzeitig hatten wir das Phänomen El Nino, das also kalte und warme Wassermassen in den Meeren aufeinander stoßen und dann zu erhöhten Regenfällen führen. Beides zusammen - also Wasser von oben und Wasser von unten -, was bis jetzt noch nicht gestoppt ist. Man erwartet für nächste Woche noch weitere Wassermassen. Das heißt, es kann zu viel mehr Toten führen und zu weiteren Überschwemmungen kommen. Das Wasser steht in vielen Regionen bereits und läuft überhaupt nicht ab.

Man kann sagen, dass dies eindeutig eine Folge des Klimawandels ist, denn diese Hochtemperaturen und diese Erwärmung sind ein Phänomen, was durch die Treibhausgasemissionen hervorgerufen wird, zu denen Pakistan selber nur ein Prozent beiträgt.

Es ist auch eine Verantwortung der internationalen Staatengemeinschaft, da zu helfen. Aber Pakistan hätte auch besser vorbereitet sein können. Nach der vorherigen Flut gab es Auflagen, Dämme zu bauen. Aber diese Dämme sind nicht gebaut worden. Es ist also ein Beispiel von Fehlverhalten. Zudem trifft den Westen mit seinem Lebensstil natürlich auch Kritik. 

DOMRADIO.DE: Sehen Sie denn Anzeichen dafür, dass die Industriestaaten Verantwortung übernehmen?

Dirksmeier: Das Auswärtige Amt hat bereits Gelder für Belutschistan - das ist eine der Provinzen, die sehr stark betroffen ist - bewilligt, aber auch nur für 1.000 Menschen. Das gleiche hat Misereor im Nachbardisktrit Sindh gemacht. Aber die Bundesregierung unterstützt auch über die internationalen Fonds - unter anderem über den Zentralen Nothilfe Fonds der Vereinten Nationen oder das Nothilfeprogramm der Weltgesundheitsorganisation, wo Deutschland jeweils einer der größten Geber ist.

Anna Dirksmeier, Pakistan-Länderreferentin bei Misereor

"Wenn das jetzt aus den Medien irgendwann raus ist, fängt ja eigentlich das Desaster für die Menschen erst an."

Das Problem ist, dass das Ausmaß der Flut eigentlich erst erkennbar ist, wenn die Wassermassen zurückgehen. Dann wird Wiederaufbauhilfe in riesigem Maße notwendig sein. Bei einer Million zerstörten Häusern - 500.000 Menschen sind obdachlos - bedeutet das massive Investitionen über die Nothilfe hinaus. Wenn das Thema aus den Medien irgendwann raus ist, fängt das Desaster eigentlich für die Menschen erst an. Dann sehen sie erst, wie groß die Schäden sind und dann ist es oftmals so, dass die internationale Staatengemeinschaft schon wieder mit anderen Problemen beschäftigt ist. 

Überschwemmungen in Pakistan / © Zahid Hussain (dpa)
Überschwemmungen in Pakistan / © Zahid Hussain ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie werden weiterhin vor Ort bleiben, den Menschen helfen und das Ganze auch ein bisschen versuchen in der Öffentlichkeit akut zu halten, oder? 

Dirksmeier: Wir werden auf jeden Fall Wiederaufbauprogramme miteinplanen. Ein Partner ist bereits daran, das zu konzipieren. Ein großes Nothilfe-Projekt haben wir bereits auf den Weg gebracht und an der Wiederaufbauhilfe sitzen wir.

Auch dafür sind zusätzliche Spenden notwendig. Wir wären natürlich ausgesprochen dankbar, wenn der eine oder andere trotz Gaskrise und hiesiger Probleme, auch an die Menschen in Pakistan denkt. (Anm. d. Red.: Eine Spendenmöglichkeit an Misereor finden Sie hier.)

Das Interview führte Bernd Hamer.

Quelle:
DR