DOMRADIO.DE: Was würde es für Ihre Arbeit bedeuten, wenn das Entwicklungsministerium mit dem Außen- und Verteidigungsministerium verzahnt würde?
Kathrin Schroeder (Abteilungsleiterin Politik und globale Zukunftsfragen beim Bischöflichen Hilfswerk Misereor): Wir sehen die Debatte als Luftballon im Sommerloch. Wir befürchten jedoch bei dieser Diskussion auch eine Verquickung von Dingen, die nicht unbedingt deckungsgleich sind. Die Aufgaben des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und des Auswärtigen Amtes sind nicht exakt deckungsgleich.
Es sieht vielleicht so aus, weil beide vor allem mit Partnern im Ausland zu tun haben. Aber das Entwicklungsministerium, das BMZ, hat dezidiert den Auftrag, vor allem die ärmeren Länder zu unterstützen und Menschen in ärmeren Ländern dabei zu helfen, zum Beispiel eine Gesundheitsversorgung aufzubauen und bessere Bildungssysteme zu installieren.
Das ist auch etwas, was wir bei Misereor im zivilgesellschaftlichen Bereich tun. Deswegen glauben wir, dass es durchaus viele gute Argumente dafür gibt, ein eigenständiges Entwicklungsministerium zu behalten.
DOMRADIO.DE: Aber könnte man nicht damit argumentieren, dass sich durch eine solche Zusammenlegung der Ministerien erhebliche Kosten für den Verwaltungsaufwand sparen ließen?
Schroeder: Da bin ich mir ehrlich gesagt nicht sicher, wenn man davon ausgeht, dass die Aufgabenbereiche verschieden sind und auch die Partner, mit denen die unterschiedlichen Ministerien arbeiten.
Wir sehen, dass es Expertise braucht, um zum Beispiel Entwicklungszusammenarbeit auf den Weg zu bringen. Das ist etwas völlig anderes, als zum Beispiel diplomatische Aufgaben in einer Botschaft wahrzunehmen. Die müssen idealerweise auch etwas von der Agenda 2030 verstehen, aber die Rolle ist eine deutlich andere.
Deutschland im Ausland zu vertreten, ist eine ganz andere Rolle als mit Partnern in Ländern des globalen Südens zum Beispiel deren Entwicklungsinteressen voranzutreiben und zu unterstützen.
DOMRADIO.DE: In diesem internen Papier argumentieren der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion für Außen-, Sicherheits-, Europa-, Menschenrechts- und Entwicklungspolitik, Michael Link, und der haushaltspolitische Sprecher Otto Fricke auch damit, dass es in keinem anderen EU- oder G7-Staat ein solches Ministerium gibt. Was würden Sie dazu sagen?
Schroeder: Ich habe nicht den Überblick über alle Kabinette in allen G7 oder gar G20 Staaten. Ich glaube aber, bei uns hat sich das durchaus als etwas herausgestellt, worauf andere neidvoll gucken. Wir sind als Misereor Teil eines internationalen Netzwerks katholischer Entwicklungsorganisationen, das CIDSE heißt.
Da hören wir von den Kolleginnen und Kollegen, wie ihre Arbeit mit den staatlichen Stellen dort ist. Das BMZ bringt viel Expertise mit und sieht die Zivilgesellschaft explizit als Partner. Wir bekommen staatliche Gelder von dem BMZ weitergeleitet, weil wir als Kirchen eine besondere Rolle in diesem Feld haben.
Das ist, glaube ich, etwas, das einzigartig ist und bei dem ich sagen würde, dass sich diese Partnerschaft bewährt hat. Diese Rolle von Kirchen, wie sie hier in Deutschland wahrgenommen und respektiert wird, ist erhaltenswert. Das macht die Entwicklungszusammenarbeit auch besser.
Wir sind allerdings stark dafür und treten seit langem dafür ein, mehr Politikkohärenz für eine nachhaltige Entwicklung in Deutschland strukturell umzusetzen. Das ist nicht unbedingt durch eine Zusammenlegung von verschiedenen Ministerien allein erreichbar. Vielmehr könnten auch andere Mechanismen, die es bereits gibt, gestärkt werden.
Zu denken wäre da zum Beispiel an einen Staatssekretärsausschuss, der nachhaltige Entwicklung unter der Federführung des Kanzleramts vorantreibt und stärkt. Das haben wir noch nicht in Deutschland. Das könnte man viel einfacher umsetzen.
DOMRADIO.DE: FDP-Parteichef und Finanzminister Christian Lindner mahnte in der Debatte über den Bundeshaushalt 2025 Kürzungen bei der Entwicklungshilfe an. Wie besorgt sind Sie, dass diese Kürzungen tatsächlich kommen?
Schroeder: Wir sind sehr besorgt. Wir haben mit unserem Dachverband VENRO die Haushaltsentwicklung der vergangenen Jahre explizit ausgewertet. Dabei haben wir gesehen, dass bereits seit 2022 die öffentlichen Gelder für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe um 20 Prozent gekürzt worden sind.
Wenn die derzeitigen Planungen des Finanzministeriums umgesetzt würden, würde das eine Kürzung von mehr als 25 Prozent allein in dieser Legislaturperiode bedeuten. Das ist im internationalen Vergleich beispiellos.
Wenn wir uns noch mal kurz vergewissern, worum es bei Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe geht, dann haben wir gigantische Herausforderungen, vor denen wir stehen. Die Klimakrise wird nicht aufhören, nur weil sich Deutschland plötzlich aufs Sparen besinnt.
Wir haben Herausforderungen durch 757 Millionen Menschen, die weltweit chronisch unterernährt sind. 120 Millionen Menschen, mehr als jemals zuvor, sind dieses Jahr vor Krieg und Verfolgung geflohen. Da kann ich sagen, jedes Sparen an dieser Stelle ist aus unserer Sicht auf jeden Fall die falsche Lösung.
Das Interview führte Tim Helssen.