Astrid Meyer ist Länderreferentin bei Misereor und berichtet von dramatischen Zuständen.
DOMRADIO.DE: Einer Ihrer lokaler Partner ist der Flüchtlingsdienst der Jesuiten. Misereor hat gerade 50.000 Euro in die Hand genommen, allein für die Erweiterung einer Feldküche. Das klingt danach, als müssten abertausende Menschen versorgt werden…
Astrid Meyer (Länderreferentin und Syrien-Expertin bei Misereor): Ja, es ist richtig. Aus Afrin an der türkischen Grenze fliehen jetzt zunehmend Menschen. Viele wurden erneut vertrieben und flüchten sich in den Norden von Aleppo. Dort sind die Jesuiten bereits aktiv und versorgen die Geflüchteten.
DOMRADIO.DE: Aber nicht alle Syrer fliehen aus den gefährlichen Gebieten. Ihre Partner berichten von dramatischen Zuständen zum Beispiel in Damaskus und Ost-Ghuta. Von Dauerbeschuss ist die Rede – aber da kann ein Hilfswerk vermutlich erstmal wenig ausrichten…
Meyer: In Ost-Ghuta, also in den Gebieten, die noch nicht wieder vom Regime kontrolliert werden, wird der Zugang extrem kontrolliert. Das geht ja auch durch die Medien. Die UN und Organisationen wie das Schweizer Internationale Rote Kreuz haben da nur bedingte Handhabe. Hilfslieferungen kommen nicht durch, es ist eine sehr katastrophale Situation.
DOMRADIO.DE: AfD-Bundestagsabgeordnete hatten erst kürzlich eine Privatreise nach Syrien unternommen – mit dem Ergebnis, dass sie das Land für sicherer halten als Afghanistan. Wie schätzen Sie so eine Aussage ein?
Meyer: Völlig deplatziert. Ich war selber zweimal dort und plane meine nächste Reise. Also aus meiner Sicht und laut unserer Kontakte, die wir vor Ort haben, gibt es unter jetzigen Voraussetzungen keine Rückkehr-Perspektive für syrische Flüchtlinge.
DOMRADIO.DE: Misereor sagt, die Vereinten Nationen und die Europäische Union sähen dem furchtbaren Leiden der Menschen bislang weitgehend hilflos zu. Was wäre Ihrer Ansicht nach jetzt das Dringendste?
Meyer: Das Dringendste ist natürlich im ersten Schritt, dass wirklich die Waffen schweigen und zwar im ganzen Land. Das Zweite ist, dass die humanitäre Hilfe so läuft, wie sie dem humanitären Völkerrecht entspricht. Das ist im Moment nicht der Fall.
Das Interview führte Tobias Fricke.