Gelsenkirchener Propst lässt Kreuze verhüllen

"Missbrauch muss verstören"

Der Karikaturist und Katholik Thomas Plaßmann ruft wegen des sexuellen Missbrauchs Kirchengemeinden dazu auf, die Kreuze in ihren Gotteshäusern mit einem schwarzen Tuch zu verhüllen. Propst Markus Pottbäcker ist dem Aufruf gefolgt.

Verhülltes Kreuz in St. Urbanus, Gelsenkirchen / © Oliver Kelch (DR)
Verhülltes Kreuz in St. Urbanus, Gelsenkirchen / © Oliver Kelch ( DR )

DOMRADIO.DE: Warum ist es Ihnen persönlich so wichtig, an dieser Aktion teilzunehmen?

Propst Markus Pottbäcker (Propsteipfarrei St. Augustinus Gelsenkirchen und Gelsenkirchener Stadtdechant): Ich bin mit Thomas Plaßmann befreundet und er hatte mich angerufen und mir eigentlich so ein bisschen seinen seinen Schmerz darüber mitgeteilt und mich auch gefragt, wie denn das noch mal in Zeichen vielleicht dargestellt werden könnte.

Ich war von seinem Vorschlag sehr, sehr angetan, weil ich das auch genauso empfinde, dass irgendwas mal in der optischen Wahrnehmung der Gottesdienstbesucher, der Kirchenbesucher deutlich werden muss, dass wir nicht über all das, was da geschehen ist, so hinweggehen.

DOMRADIO.DE: Ein schwarzes Tuch verhüllt die Kruzifixe in den Kirchen ihrer beiden Pfarreien. Weshalb ist denn ein schwarzes Tuch hier ein gutes Symbol?

Propst Pottbäcker: Ich sage mal vielleicht etwas Grundsätzliches: Ich glaube, es gibt kein optimales Zeichen. Es gibt - glaube ich - nicht das Zeichen, wo wir mit allen, die in irgendeiner Form davon berührt sind, sagen könnten, das ist es jetzt. Dessen bin ich mir sehr bewusst, weil es auch natürlich Anfragen gibt, Nachfragen gibt, Kritik gibt.

Aber ich glaube, es ist zumindest so ein Zeichen, dass in der Farbe und auch in der völlig irritierenden Form, es über den Kopf des Kruzifix' zu legen schon auch deutlich macht, worum es dabei geht. Thomas Plaßmann und ich, wir haben unterschiedliche Zugänge und kommen doch an den selben Punkt, dass das Ganze Scham und Trauer ausdrücken soll.

Für mich hat das auch einen Aspekt, wie man das in manchen mediterranen Ländern heute noch sieht, wo Frauen bei einer Beerdigung so ein schwarzes Tuch vor dem Gesicht tragen. Das ist auch Ausdruck von Trauer. Natürlich kann ich mich nicht an die Stelle Jesu setzen und sagen, der trauert jetzt. Das ist auch theologisch ein bisschen schwierig.

Aber insgesamt glaube ich eben doch, dass es wichtig ist, so ein Zeichen zu setzen, das erstens irritiert und verstört, ein bisschen zum Nachdenken bringt, aber vielleicht durch die Farbe und durch den prominenten Platz deutlich macht: Hier geht es auch um etwas ganz Wichtiges.

DOMRADIO.DE: Jesus mit einem schwarzen Tuch zu verhüllen, das könnte auch einige gläubige Menschen irritieren oder verstören. Was sagen Sie diesen Menschen?

Propst Pottbäcker: Zunächst einmal sage ich, dass das Geschehen des Missbrauchs verstören und irritieren muss und nicht das verhüllte Kreuz. Das ist natürlich als Zeichen zunächst einmal der Zugang dazu. Aber es muss uns klar sein, dass das das eigentlich Irritierende und Verstörende ist.

DOMRADIO.DE: Viele Menschen treten aus der Kirche aus, nicht nur wegen der bekannt gewordenen Fälle sexuellen Missbrauchs selbst, sondern auch wegen des Umgangs der Kirche damit. Wie sehr beschäftigt das die Menschen Ihrer Gemeinde?

Propst Pottbäcker: Ich schreibe all diejenigen an, die aus der Kirche austreten und lade zu einem Gespräch ein, bekomme nicht ganz viele Rückmeldungen, aber ich bekomme immer wieder Rückmeldungen und in vielen Fällen dann auch Gespräche. Da ist das das entscheidende Thema, dass es um den Missbrauch in der katholischen Kirche geht, a) um das Faktum und b) - wie Sie sagen - um den Umgang.

Die Menschen, die dann austreten, verstehen einfach nicht, dass es möglich ist und möglich war, dass das geschehen ist. Erstens. Zweitens, dass es einfach so ewig lange Zeit brauchte und dass sich bis heute offensichtlich die Institution immer noch schwer damit tut, für sich auch solche Konsequenzen daraus zu ziehen.

Denn das Systemische in diesem Ganzen ist ja das Problem, dass ein System so funktioniert hat, dass immer die Institution im Vordergrund stand und nicht die Opfer.

DOMRADIO.DE: Bis zum Beginn der Adventszeit werden jetzt die Kruzifixe in ihren beiden Pfarreien in Gelsenkirchen verhüllt bleiben. Gibt es da schon Reaktionen oder Resonanzen ganz konkret auf diese Aktion?

Propst Pottbäcker: Ja, ich habe einige Resonanzen jetzt spontan bekommen, aus dem Bekanntenkreis, aber auch aus den Gemeinden. Bis jetzt relativ positiv, betroffen auch, aber im Grunde immer ermutigend zu sagen, gut, dass mal ein Zeichen da ist, auch wenn es vielleicht, wie ich schon vorhin sagte, nicht das Optimum an Zeichen ist, aber immerhin gut, dass etwas passiert.

Das Interview führte Julia Reck.


Propst Markus Pottbäcker (privat)
Propst Markus Pottbäcker / ( privat )

Verhülltes Kreuz in St. Urbanus, Gelsenkirchen / © Oliver Kelch (DR)
Verhülltes Kreuz in St. Urbanus, Gelsenkirchen / © Oliver Kelch ( DR )
Quelle:
DR
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