Missbrauchsaufarbeitung: Gegenwind und Zuspruch für den Papst

"Solidarität mit Franziskus sollte selbstverständlich sein"

Die katholische Kirche befindet sich in unruhigem Fahrwasser. Das Vorgehen bei der Missbrauchsaufarbeitung schlägt hohe Wellen - bis in den Vatikan. Papst Franziskus bekommt Gegenwind, aber auch bischöflichen Zuspruch. Ein Überblick.

Papst Franziskus / ©  Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus / © Paul Haring ( KNA )

DOMRADIO.DE: Solidarität mit dem Papst. Ist das nicht eigentlich selbstverständlich für einen Bischof?

Jan Hendrik Stens (Liturgie-Redaktion): Das sollte sogar selbstverständlich für jeden Katholiken sein. Umso bemerkenswerter scheint es, dass das Bekunden dieser eigentlichen Selbstverständlichkeit wohl notwendig ist. Kritik an Päpsten, auch Rücktrittsforderungen, sind nichts Neues. Die hat es auch schon bei Franziskus‘ Vorgängern gegeben. Neu ist jedoch, dass die Kritik auch von hochrangigen Amtsträgern geäußert wird. So gesehen ist mit dem Text von Erzbischof Viganò eine neue Stufe der Kritik erreicht worden.

DOMRADIO.DE: Von wem kommen denn jetzt die Solidaritätsbekundungen?

Stens: Die kommen aus ganz unterschiedlichen Ländern und Regionen. Auch der Präsident der US-Bischofskonferenz, Kardinal DiNardo, hatte kurz nach der Veröffentlichung von Viganòs Schreiben bekundet, dies seien schwierige Tage, und die US-Bischöfe drückten dem Papst ihre "brüderliche Zuneigung" aus. Kurz darauf meldeten sich die argentinischen Bischöfe zu Wort und nannten die Vorgänge einen "rücksichtslosen Angriff, bei dem verschiedene und engherzige weltliche Interessen zusammenkommen". In Europa drückte die spanische Bischofskonferenz Franziskus mit den Worten "Heiliger Vater, Sie sind nicht allein" ihre Solidarität aus. Auch der Präsident, der EU-Bischofskommission COMECE, Erzbischof Jean-Claude Hollerich, stellt sich demonstrativ hinter Franziskus und beklagt, es gebe Tendenzen, die die Kirche spalten wollten.

DOMRADIO.DE: Und welche Reaktionen kommen aus Deutschland?

Stens: Von den deutschen Bischöfen haben sich bislang der Passauer Bischof Oster, Bischof Kohlgraf aus Mainz und Bischof Fürst aus Rottenburg zu Wort gemeldet. Oster verteidigt Franziskus vor allem gegen die Kritik, die kirchliche Lehre umstürzen zu wollen. Sein Mainzer Mitbruder schreibt auf der Internet-Seite seines Bistums, dass mit den aktuellen Vorwürfen gegen Franziskus der Boden einer sachlichen Kritik verlassen worden sei. Bischof Fürst erklärte via Twitter, er stehe hinter dem Papst und unterstütze "sein Bemühen um Aufklärung und Aufarbeitung".

DOMRADIO.DE: Und dennoch gibt es bei aller Solidaritätsbekundung auch die Forderung nach Aufklärung.

Stens: Richtig, und das tun auch jene Bischöfe, die Franziskus ihre Unterstützung zugesichert haben. Als Beispiel kann man hier Kardinal DiNardo nennen, der deswegen auch Franziskus in einer Audienz sprechen möchte. Im Internet gibt es einen offenen Brief von etwa 30.000 katholischen Frauen in den USA, die den Papst dazu auffordern, zu den Vorwürfen Viganòs Stellung zu beziehen. Seine Äußerung "Ich werde dazu kein einziges Wort sagen" bezeichnen sie als unangemessen.

Vergangenen Sonntag kam es in einigen Gottesdiensten in den USA zu Zwischenfällen. Während Kardinal Wuerl eine Fürbitte für Papst Franziskus vortrug, verließ ein Teilnehmer laut schimpfend die Kirche. Wir merken also, dass die Gemengelage recht kompliziert ist. Da gibt es jene, die einfach nur Aufklärung fordern, da sind liberale und konservative Katholiken vereint. Dann kommen aber auch noch die, welche durch die vorgebrachte Kritik Franziskus schwächen und im für sie besten Fall sogar loswerden wollen. Die springen jetzt natürlich mit Freuden auf diesen Zug auf.

DOMRADIO.DE: Und auch Erzbischof Viganò hat sich noch einmal eingeschaltet?

Stens: Ja, er hat noch einmal Stellung bezogen zu der Schilderung des Missbrauchsopfers Juan Carlos Cruz, der ein Gespräch mit dem Papst hatte. Darin soll ihm Franziskus dargelegt haben, dass er seine Schwierigkeiten mit Viganò als Nuntius in den USA hatte. Insbesondere ein Treffen mit einer prominenten Gegnerin der gleichgeschlechtlichen Ehe während seines USA-Besuchs sei von Viganò mehr oder weniger hinterrücks eingefädelt worden. Doch Viganò schreibt nun ausführlich, dass Papst Franziskus sehr wohl darüber informiert gewesen sei, wen er da empfangen habe. Wir sehen, das Drama ist noch längst nicht überstanden.


Jan Hendrik Stens / © Gerd Lödige (DR)
Jan Hendrik Stens / © Gerd Lödige ( DR )
Quelle:
DR