Es tue ihm für die Opfer "außerordentlich leid, dass Kardinal Müller jetzt erneut die Chance verpasst, empathisch und mitfühlend zu reagieren", sagte Rörig an diesem Donnerstag auf Anfrage in Berlin.
Fehlendes Signal der Wertschätzung
Er vermisse "ein Signal der Wertschätzung und Anerkennung insbesondere für die Betroffenen, denen es maßgeblich zu verdanken ist, dass der Aufarbeitungsprozess nach jahrelangem Ringen jetzt eine positive Entwicklung nehmen konnte", betonte Rörig weiter.
Das wäre aus seiner Sicht auch ein "wichtiges und Mut machendes Signal für alle in der katholischen Kirche, die aktuell oder zukünftig mit Aufarbeitungsprojekten betraut sind". Er hoffe sehr, "dass die nach meinem Eindruck insbesondere auf Abwehr zielende Reaktion von Kardinal Müller bei Betroffenen nicht zu erneuten Belastungen führt und ihnen dadurch der Weg versperrt wird, für sich abschließen zu können".
Rörig hatte am Dienstag nach der Veröffentlichung des Abschlussberichts zur Aufklärung der Vorfälle gesagt, er hoffe nun, dass sich der frühere Regensburger Bischof Müller bei den Opfern entschuldigen werde. Dies wäre für die Betroffenen ein wichtiges Zeichen.
Kardinal Müller sieht keinen Anlass für Entschuldigung
Müller hatte daraufhin am Mittwoch erklärt, er sehe keinen Anlass dafür, im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Übergriffe um Entschuldigung zu bitten. Er habe, nachdem 40 bis 50 Jahre nach den Untaten "nichts geschehen war", 2010 unmittelbar nach den ersten Meldungen über Übergriffe als damaliger Bischof von Regensburg den Aufarbeitungsprozess eingeleitet.
Im Interview mit der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstag) hatte Müller seinerseits Rörig aufgefordert, sich für "Falschaussagen und falsche Informationen, die verbreitet werden", bei ihm zu entschuldigen. "Ich weise den Vorwurf der Verschleppung zurück, weil er den Tatsachen diametral widerspricht", erklärte der Kardinal.
In der italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera" (Donnerstag), betonte Müller darüber hinaus, er habe angesichts der Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen "Scham für das, was in der Kirche passiert ist" empfunden.
Aufarbeitung von Müller initiiert
Laut dem Abschlussbericht von Rechtsanwalt Ulrich Weber wurden 547 Regensburger Domspatzen seit 1945 "mit hoher Plausibilität" Opfer von Übergriffen. Zu Müllers Rolle hält Webers Bericht fest, dass der damalige Bischof 2010 die Aufarbeitung initiiert hatte, jedoch auch für "strategische, organisatorische und kommunikative Schwächen" verantwortlich sei. Diese seien erst unter seinem Nachfolger Rudolf Voderholzer behoben worden.
Auch der katholische Kinderschutzexperte Hans Zollner hatte dem Kardinal empfohlen, mit Missbrauchsopfern bei den Domspatzen zu sprechen. Müller betonte, er sei "zu jedem persönlichen Gespräch über diese schlimmen Erfahrungen von Menschen aus der damaligen Zeit bereit".