Sprecher Johannes Norpoth verwies am Freitag in Frankfurt auf eine unlängst veröffentlichte Untersuchung der Bischofskonferenz und von Adveniat. Diese belegt, dass der frühere Bischof Emil Stehle (1926-2017) in Lateinamerika Priester vor Strafverfolgung geschützt hat, die in Deutschland wegen sexualisierter Gewalt strafrechtlich verfolgt wurden.
Weiter listet der Bericht gegen Stehle selbst 16 Meldungen und Hinweise zu übergriffigem Verhalten und sexuellem Missbrauch Minderjähriger auf.
Bischöfe und Personalverantwortliche hätte "die Täterorganisation Kirche zusätzlich zu einem Ort organisierter Kriminalität gemacht", sagte Norpoth. Man könne in diesem Zusammenhang auch von "Clankriminalität" sprechen.
Norpoth äußerte sich vor der Vollversammlung des Synodalen Wegs. Dem kirchlichen Reformprojekt sei es immer noch nicht gelungen, Betroffene angemessen und mit Stimmrecht zu beteiligen, beklagte Norpoth. Das zeige schon ein Blick auf die bereits mehrfach geänderte Zusammensetzung der Synodalversammlung. "Es kommt kein Verantwortlicher auch nur auf die Idee, wenigstens im Nachrückverfahren diesem strukturellen Webfehler mangelhafter Betroffenenbeteiligung entgegen zu wirken."
Missbrauchsbetroffene danken Bischof Ackermann und üben Kritik
Dem scheidenden Missbrauchsbeauftragten Bischof Stephan Ackermann hat der Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz unterdessen für seine Arbeit gedankt. Zugleich übte Sprecher Johannes Norpoth Kritik an der von den Bischöfen in diesem Zusammenhang angekündigten Neustrukturierung.
Dazu habe es im Juli erst ein Gespräch mit dem Betroffenenbeirat gegeben - obwohl die Bischöfe ihre Grundsatzentscheidung bereits im vergangenen Herbst getroffen hätten. "Sieht so das Zeit-Management der Deutschen Bischofskonferenz aus angesichts einer Aufgabe, die im Sinne der Betroffenen niemals Aufschub duldet, immer lebenswichtig im wahrsten Sinne des Wortes ist?", fragte Norpoth.
Ackermann wird sein Amt nach zwölf Jahren Ende September abgeben.
Derzeit würden unter Einbeziehung von Experten und auch des Betroffenenbeirats Eckpunkte für die Neustrukturierung erarbeitet, "in deren Rahmen auch die personelle Nachfolgeregelung getroffen wird", sagte Ackermann. Wie Norpoth sprach auch der Trierer Bischof vor der Vollversammlung des Synodalen Weges
Norpoth erläuterte die Position des Betroffenenbeirats. Dieser sei der Auffassung, dass das Thema zwingend aus dem Sekretariat der Bischofskonferenz ausgegliedert und in eine unabhängige Struktur überführt werden müsse, zum Beispiel im Wege eines Stiftungsmodells.
Betroffenenarbeit benötige eine angemessen Ausstattung mit Geld und Personal, die eine unabhängige Begleitung und Unterstützung der Betroffenen möglich mache "und nicht ko-klerikal gesteuert wird".
Norpoth weiter: "Wir sind gespannt: Gespannt auf die Umsetzung dieser Neuordnung und auch letztlich auf die Benennung eines oder mehrerer neuer Missbrauchsbeauftragten für die Deutsche Bischofskonferenz."
Betroffenenbeirat rechnet mit weiteren Klagen wegen Missbrauch
Der Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz rechnet zudem mit weiteren zivilrechtlichen Klagen von Missbrauchsopfern gegen deutsche Bistümer. Sprecher Johannes Norpoth bezog sich am Freitag in Frankfurt auf eine Schmerzensgeldklage eines Missbrauchsbetroffenen gegen das Erzbistum Köln. Der Kläger wirft dem Erzbistum Amtspflichtverletzung durch Unterlassen vor und verlangt 725.000 Euro. Es sei "nicht absehbar, wie viele Klagen folgen werden", so Norpoth.
Die Klage sei auch Ausdruck einer "massiven Unzufriedenheit" mit der Haltung der Bischöfe in der Anerkennung des Leids der Betroffenen, sagte Norpoth weiter. Rund 65 Prozent der Entschädigungssummen lägen in Werten gleich oder weniger als 20.000 Euro, in großen Teilen unter 10.000 Euro, mitunter gar unter 5.000 Euro. Damit werde vieles deutlich, "aber sicher keine wertschätzende Haltung den Opfern von sexuellem Missbrauch gegenüber".
Die Entscheidung, wie viel Geld Missbrauchsopfer in der katholischen Kirche in Anerkennung des ihnen zugefügten Leids erhalten, liegt seit 1. Januar 2021 bei der in Bonn ansässigen Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA). Bis zum 31. August diesen Jahres hatte die UKA über 1.524 Anträge entschieden. Insgesamt gingen bislang 1.974 Anträge bei dem Gremium ein.
Bis heute sei es - trotz intensiver Bemühungen und Initiativen des Betroffenenbeirats - nicht gelungen, in der Anerkennung des Leids eine für die Betroffenen "befriedigende und befriedende Lösung" herbeizuführen, beklagte Norpoth.
Zahlreiche Befassungen mit der Sache in Gesprächsrunden mit Vertreterinnen und Vertretern des Betroffenenbeirates, der Deutschen Bischofskonferenz, der Deutschen Ordensobernkonferenz und der UKA hätten diesen Mangel nicht beheben können. Zuletzt habe die Bischofskonferenz dem Betroffenenbeirat mitgeteilt, dass mit Blick auf den deutlich zutage getretenen Dissens in der Frage der Leistungshöhen im Anerkennungssystem die Gespräche von Seiten der Bischöfe nicht fortgeführt würden.