James Grein brach nach der Nachricht aus dem Bezirksgericht von Dedham in Tränen aus. Die Einstellung des Strafverfahrens gegen seinen ehemaligen Peiniger sei für ihn "hochemotional", erklärte der Kläger in dem Prozess gegen den bisher ranghöchsten Kirchenvertreter im Skandal um sexuellen Missbrauch an Minderjährigen in der katholischen Kirche in den USA.
Der 2001 in den Kardinalsstand erhobene Erzbischof von Washington, Theodore McCarrick, war nach einem internen Verfahren im Vatikan 2019 wegen Missbrauchs in mehreren Fällen für schuldig befunden und aus dem Priesteramt entfernt worden. Dass der 93-Jährige der weltlichen Gerichtsbarkeit in Massachusetts entkommen konnte, hat mit seiner fortgeschrittenen Demenz-Erkrankung zu tun.
Verhandlungsunfähigkeit bestätigt
Bei der Anhörung am Mittwoch in Dedham bestätigte die von dem Bundesstaat angeheuerte Expertin für forensische Psychologie, Kerry Nelligan, die Verhandlungsunfähigkeit McCarricks. Sie habe bei einer zweitägigen Evaluierung des ehemaligen Kardinals an seinem jetzigen Wohnort in Missouri "erhebliche kognitive Probleme und Defizite bei seiner Erinnerung und Fähigkeit festgestellt, Informationen zu behalten".
Nelligan war eingesetzt worden, nachdem die Verteidigung im Februar die Einstellung des Verfahrens aufgrund von McCarricks Gesundheitszustandes beantragt hatte. Ihr schriftliches Gutachten hatte sie bereits im Juli vorgelegt. Die Staatsanwaltschaft bestätigte das Ergebnis in einer eigenen Evaluierung. "Nach dem Gesetz von Massachusetts kann dieser Fall nicht weiter verhandelt werden", erklärte Staatsanwalt David Traub die Zustimmung seiner Behörde zur Einstellung des Verfahrens.
McCarrick nicht im Gerichtssaal
McCarrick verfolgte das Geschehen im Gerichtssaal per Video-Schalte. Er wirkte schwach und lehnte zuweilen über. Obwohl er permanent schwieg, schien nicht alles an ihm vorbeizuziehen. "Ich habe Schwierigkeiten damit, dass jemand, der so intelligent und artikuliert ist, wie er, nicht kompetent genug sein soll, vor Gericht zu stehen und Rechenschaft für sein Tun abzulegen", zeigte sich das mutmaßliche Opfer enttäuscht. "McCarrick geht als freier Mann und mir bleibt nichts."
Greiner gibt an, als Jugendlicher von dem damaligen Familienfreund wiederholt sexuell missbraucht worden zu sein; einmal als 16-jähriger am Rand der Hochzeit seines älteren Bruders am Wellesley College. McCarrick bestritt die Vorwürfe hartnäckig.
"Trotz der Entscheidung des Strafgerichts von heute haben viele Opfer klerikalen Missbrauchs das Gefühl, dass der frühere Kardinal Theodore McCarrick die permanente Verkörperung des Bösen in der Katholischen Kirche ist und bleiben wird", meinte Greiners Anwalt Mitchell Garabedian, der auch andere Betroffene vertritt.
Anordnung durch Papst Franziskus
Nachdem Verantwortliche in der Kirche über Jahre glaubwürdige Hinweise und detaillierte Informationen gegen den einflussreichen Kardinal ignoriert, heruntergespielt hatten oder unter den Tisch fallen ließen, hatte Papst Franziskus eine Untersuchung der Vorwürfe angeordnet. Diese fielen in den Zeitraum zwischen den 1970er- und 1990er-Jahren und betrafen Missbrauch an Minderjährigen sowie sexuelle Übergriffe auf Erwachsene.
Die Entfernung aus dem Priesteramt war ein tiefer Fall für einen, der einmal ganz oben in der katholischen US-Kirche stand. Geboren 1930 in New York, machte McCarrick nach seiner Priesterweihe 1958 zunächst Karriere im Universitäts- und Bildungsbereich und wurde 1977 zum Weihbischof in New York ernannt. 1981 wechselte er als Bischof ins neu gegründete Bistum Metuchen und 1986 als Erzbischof nach Newark. Von 2001 bis 2006 war er Erzbischof von Washington. 2001 machte ihn Papst Johannes Paul II. zum Kardinal.
Hoffnung auf zweiten Strafprozess
Kläger Greiner hofft nun auf einen zweiten Strafprozess, den er im April im Bundesstaat Wisconsin angestrebt hatte. Dort geht es zusätzlich um einen mutmaßlichen Missbrauch im Jahr 1977 in der Stadt Lake Geneva. Anders als der Fall in Dedham ist das Verfahren im Mittleren Westen weiter anhängig. Die nächste Anhörung ist am 18. September.