missio nach Coup in Sorge um Christen im Niger

"Wir fürchten, dass Minderheiten leiden"

Nach dem Militärcoup im westafrikanischen Staat Niger ist die Zukunft des Landes unklar. Das Hilfswerk missio Aachen sorgt sich um die Minderheiten und erwartet auch Einschränkungen für seine Arbeit mit Projektpartnern vor Ort.

Putsch im Niger / © Fatahoulaye Hassane Midou (dpa)
Putsch im Niger / © Fatahoulaye Hassane Midou ( dpa )

DOMRADIO.DE: Niger galt bis jetzt als einer der letzten Stabilitätsfaktoren in Westafrika. Das wird sich jetzt wohl ändern. Was muss man über das Land wissen?

Frank Kraus / © Fotostudio Jünger (missio)
Frank Kraus / © Fotostudio Jünger ( )

Frank Kraus (Leiter der Auslandsabteilung bei missio Aachen): Das Land Niger gehört zur Sahelzone und zum großen Teil zur Sahara. Wir haben es also mit großen, weiten Flächen zu tun, die trocken sind. Im südlichen oder südwestlichen Bereich von Niger ist eine normale Landwirtschaft überhaupt nicht möglich.

Der größte geographische Teil ist nahezu menschenleer. Es ist überwiegend muslimisch geprägt, wie viele Länder dieser Region, und es ist eines der ärmsten Länder der Welt.

DOMRADIO.DE: Was können Sie über die Situation der Menschen im Land sagen, was bedeutet dieser Militärcoup für sie?

Kraus: Von dem Coup betroffen sind überwiegend die Menschen in den großen Städten, hauptsächlich die Hauptstadt und noch eine weitere größere Stadt im Süden. In den anderen Städten und auf dem Land wird das in der direkten Folge keine unmittelbaren Auswirkungen haben. Aber es wird indirekt Auswirkungen haben.

Wenn Hilfszusagen in einem solch armen Land gestoppt werden, wird das zu Lasten genau dieser armen Bevölkerung gehen, die dann noch weniger wirtschaftliche Perspektive entwickelt.

Der Coup ist auch mit relativ wenig Waffengewalt bisher durchgeführt worden. Die Menschen werden merken, dass das Radio oder Fernsehen anders läuft, die Flüge gehen nicht mehr, aber das betrifft nur einen ganz kleinen Teil der Bevölkerung, die das überhaupt in dem Sinne interessiert.

DOMRADIO.DE: Ist das eine Meldung, die überrascht oder hätte man das, wenn man sich mit dem Land befasst, kommen sehen können?

Kraus: Das Land war ja sowieso noch gar nicht so lange demokratisch. Es ist erst vor wenigen Jahren aus einer Militärherrschaft herausgekommen. Und wenn man in die Region guckt, also über die Grenzen hinaus, auch zu den Nachbarn, die teilweise ja deutlich mehr Einwohner und damit natürlich auch mehr Gewicht haben, ist das leider ein mittlerweile übliches Verfahren.

Aber natürlich hofft jeder, auch wir haben gehofft, dass ein Beispiel in der Sahelzone bleibt, das eben nicht abdriftet zur autoritären oder sogar zu Militärregierung. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt.

Frank Kraus

"Unsere Erfahrung ist, dass ein Militärputsch nicht zu mehr Sicherheit führt."

DOMRADIO.DE: Jetzt gab es in den vergangenen Jahren immer mal wieder Meldungen von Übergriffen auf Christen, auf christliche Dörfer. Wie hat sich das denn in letzter Zeit entwickelt? Und was bedeutet der Coup für die Christen im Land?

Kraus: Welche direkten Auswirkungen es auf Dauer es auf die Sicherheitslage haben wird, ist immer schwierig zu sagen. Im Vergleich zu den Nachbarländern, auch Burkina Faso und Tschad, war es in den letzten Jahren noch relativ sicher.

Es war nicht gut, aber relativ sicher, während wir eine starke Verschlimmerung in den Nachbarländern zum Teil haben. Unsere Erfahrung ist, dass ein Militärputsch nicht zu mehr Sicherheit führt. Auch in Burkina Faso hat die Sicherheitslage sich nicht verbessert.

Also ich fürchte eher, dass die Situation der Christen oder jeder kleinen Minderheit, die irgendwie nicht ins System passt, schlechter werden wird, weil auch wieder mehr Kriminalität, Schlepperkriminalität oder andere Schmuggelaktivitäten zunehmen werden. Und die nehmen keine Rücksicht auf zivile Personen.

Und das Militär ist in diesem Land nicht stark genug, dieses Riesenland überhaupt militärisch zu kontrollieren. Wenn jetzt noch die Unterstützung der UN und der Europäer wegfällt, auch in der militärischen Ausbildung und der Infrastruktur, habe ich da große Zweifel. Wir fürchten, dass Christen und andere Minderheiten leiden.

DOMRADIO.DE: Was bedeutet das für die Zusammenarbeit mit Ihren Projektpartnern?

Kraus: Da, wo wir die Hoffnung hatten, dass auch durch staatliche oder internationale Förderprogramme, die sehr junge Bevölkerung in vernünftige Bahnen gelenkt werden kann und Hoffnung und Möglichkeiten bekommt, das wird eben einfrieren. Und ja, die etwas unabhängiger Agierenden in dieser Sozial- und Entwicklungsarbeit, die werden wieder eingeschränkt werden.

Vor allem da wir auch noch eine gewisse Zahl von nicht Staatsangehörigen haben, die in diesem Land arbeiten. Bei den Christen sind jetzt nicht unbedingt mehr Europäer oder Amerikaner, sondern Menschen aus anderen afrikanischen Staaten. Die werden bei Kritik natürlich auch sofort rausgedrängt und damit wird das Arbeiten einfach aus personellen Gründen für uns schwieriger .

DOMRADIO.DE: Was denken Sie, wie wird sich jetzt die Lage weiterentwickeln? Wird sich das relativ schnell beruhigen? Oder wird es jetzt Chaos im Land geben?

Kraus: Ich gehe im Moment davon aus, dass es keine ausländische Intervention, jedenfalls keine offizielle, geben wird, zumindest nicht vom Westen. Deshalb gehen wir schon davon aus, dass das Militär die Oberhand haben wird.

Was abzuwarten ist: inwieweit die Wagner Gruppe und damit die Russen da mit drin hängen. Die bringen leider auch in allen Nachbarländern ja noch noch mehr Terror und das wird vielleicht nicht sofort, aber in zehn, 15 Jahren bei diesen auch sehr jungen Menschen, natürlich auch jungen Männern, irgendwann auch wieder zu Unruhen, zu weiteren Rebellen und aufständischen Gruppen führen, so dass ich zwar kurzfristig annehmen würde, dass es eher ruhig bleiben wird, aber mittelfristig es zu einer Instabilität kommen wird, wenn nicht sogar zu failed states, wie wir es in der Zentralafrikanischen Republik haben, nicht mehr kontrollierbare Gebiete wie Mali oder Burkina Faso, weil die Zentralregierung einfach keine Kontrolle mehr hat.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch. 

Das Hilfswerk missio

Das Internationale Katholische Missionswerk missio mit Sitz in Aachen und München ist eines von weltweit mehr als 100 Päpstlichen Missionswerken. Missio München ist das Missionswerk der bayerischen, missio Aachen das der anderen deutschen Bistümer. Das Wort missio kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Sendung.

 (KNA)
Quelle:
DR