missio setzt bei Armutsbekämpfung auf die Kirche vor Ort

"In Krisenzeiten ein verlässlicher Partner"

Im Kampf gegen globale Armut arbeitet das Hilfswerk missio eng mit den kirchlichen Partnern vor Ort zusammen. Romina Elbracht von missio wünscht sich mehr Solidarität mit den armen Ländern sowie Geschlechtergerechtigkeit.

Eine Kirche in Vanuatu. Die kleine Inselnation nordöstlich von Australien gilt als das Land, das weltweit am stärksten von Naturkatastrophen betroffen ist.  / © Hartmut Schwarzbach (missio)
Eine Kirche in Vanuatu. Die kleine Inselnation nordöstlich von Australien gilt als das Land, das weltweit am stärksten von Naturkatastrophen betroffen ist. / © Hartmut Schwarzbach ( missio )

DOMRADIO.DE: Mehr als die Hälfte aller von Armut betroffenen Menschen sind Kinder, 566 Millionen weltweit. Das ist besorgniserregend! Wie prekär ist die aktuelle Lage weltweit? 

Romina Elbracht (stellvertretende Leiterin der Auslandsabteilung vom katholischen Hilfswerk missio und Länderreferentin für den Nahen Osten): Man muss wirklich sagen, dass die Lage der globalen Armut nach wie vor sehr besorgniserregend ist. Verstärkt wurde die Situation in den vergangenen Jahren durch die Covid19-Pandemie und durch wirtschaftliche Herausforderungen. Und Konflikte und Kriege weltweit treiben natürlich noch mehr Menschen in die Armut. 

Besonders in unseren Projektländern sehen wir, wie Armut oft mit anderen Problemen verknüpft ist, wie zum Beispiel dem Klimawandel, Zugang zu Nahrungsmitteln, nicht vorhandener Zugang zu Wasser, Dienstleistungen und ein fehlender Zugang zu Bildung, wenig Gesundheitsversorgung und dadurch auch kein sozialer Aufstieg. 

DOMRADIO.DE: Es gab ja durchaus Fortschritte bei der Bekämpfung der Armut. Bis die Corona-Pandemie und dann der Ukrainekrieg kam. Wenn Sie auf Ihren Bereich schauen, auf den Nahen Osten, für den Sie Expertin sind: Wie sehr hat sich die Situation wieder verschlechtert? 

Regina Elbracht

"Im Nahen Osten steht das blanke Überleben im Vordergrund."

Elbracht: Die Lage im Libanon ist alarmierend. Über 80 Prozent der Bevölkerung leben in Armut. Schon vor September 2024 war die politische Lage schwierig. Es gab eine hohe Auswanderungswelle. Und seit Beginn des Krieges im September 2024, der viele Menschenleben gefordert hat, ist die Infrastruktur schwer beschädigt.

Konvoi mit Lebensmitteln und lebenswichtigen Gütern der Vereinten Nationen (WFP) und von UNICEF im Libanon / © Stringer (dpa)
Konvoi mit Lebensmitteln und lebenswichtigen Gütern der Vereinten Nationen (WFP) und von UNICEF im Libanon / © Stringer ( dpa )

Themen wie Klimawandel rücken da in den Hintergrund, weil einfach das blanke Überleben und der Verlust des eigenen Zuhauses im Vordergrund stehen. Wir kriegen aktuell fast täglich Nothilfe-Anfragen und haben erst kürzlich ein großes Nothilfeprojekt mit bis zu 90.000 Euro für 2.300 christliche Familien im Süden des Libanons bewilligt. 

Da geht es einfach ums blanke Überleben, wie gesagt: Es werden Lebensmittelpakete zur Verfügung gestellt, essentielle Nahrungsmittel, Matratzen, Hygieneartikel. Das wirft ein Land enorm zurück. 

DOMRADIO.DE: Der heutige "internationale Tag für die Beseitigung der Armut" führt uns alle diese prekäre Situation vor Augen. Das ist gut. Aber wie kann denn die Armut bekämpft werden? Wie können zum Beispiel Deutschland und die Weltgemeinschaft besser unterstützen? Was wäre Ihr Vorschlag? 

Elbracht: Meine Ansicht dazu ist, dass man Armutsbekämpfung nur auf der Grundlage von wirklich echter und gelebter globaler Solidarität und Zuhören erreichen kann. Man muss den Bedarf der Betroffenen ganz konkret erfassen und entsprechend handeln. 

Regina Elbracht

"Die Kirche ist in vielen Ländern der Ansprechpartner und kann gut auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen."

Wir bei missio Aachen setzen da auf einen partnerschaftlichen Ansatz: Wir versuchen, die Stärkung staatlicher Strukturen voranzutreiben, weil wir sehen, dass die Kirche in vielen Ländern der Ansprechpartner ist. Sie kann auf die Bedürfnisse der Menschen gut eingehen und ist in Krisenzeiten ein verlässlicher Partner. 

In Myanmar sind 3 Millionen Menschen geflohen. An manchen Orten werden Geflüchtete auch von Ordensschwester betreut. Die Menschen sind hier auf einem kirchlichen Compound untergekommen / © Hartmut Schwarzbach (missio)
In Myanmar sind 3 Millionen Menschen geflohen. An manchen Orten werden Geflüchtete auch von Ordensschwester betreut. Die Menschen sind hier auf einem kirchlichen Compound untergekommen / © Hartmut Schwarzbach ( missio )

Es ist unfassbar wichtig, mehr auf Geschlechtergerechtigkeit zu setzen. Wir fördern ganz viele Ausbildungsprogramme für Frauen, Ordensschwestern, Laiinnen, weil wir sie als Motor in einer Gesellschaft sehen, in der Kirche, in der Familie. Das ist aber oft ein Selbstverständnis, das nicht überall angekommen ist und ein Selbstbewusstsein, das bei den Frauen so noch nicht gegeben ist. 

Da muss man vorankommen und nicht nur auf dem Papier nach Klimakonferenzen wirklich gute Ideen und Ergebnisse festhalten, sondern diese auch authentisch in die Realität übertragen. 

DOMRADIO.DE: Die Folgen der Klimakatastrophe sind Hauptursache für Armut. Im gerade veröffentlichten Klimaanpassungsindex von "Brot für die Welt" sehen wir, dass Finanzmittel zur Klimaanpassung und Klimahilfe global sehr ungerecht verteilt werden. Armen Ländern fehlt schlichtweg das Geld für Klimamaßnahmen. Sehen Sie auch, dass da dringender Handlungsbedarf besteht? 

Regina Elbracht

"Wir sehen, dass nicht genug finanzielle Mittel von den reicheren Ländern an die armen gemachten Länder gehen."

Elbracht: Ja, auf jeden Fall. Wie eben schon betont, ist es eine Sache, die bei verschiedenen Konferenzen von Regierungsvertretern angesprochen wird mit dem Ziel, es langfristig umzusetzen. Aber dann hapert es doch am Kleinen. 

Die Katholische Frauengruppe der Erzdiözese Bougainville trifft sich nach der Messe in der Kathedrale zu einer Diskussionsrunde. Helen Hakena leitet die Gruppe. Sie ist eine Organisatorin und Aktivistin für Frieden und Frauenrechte.  / © Hartmut Schwarzbach (missio)
Die Katholische Frauengruppe der Erzdiözese Bougainville trifft sich nach der Messe in der Kathedrale zu einer Diskussionsrunde. Helen Hakena leitet die Gruppe. Sie ist eine Organisatorin und Aktivistin für Frieden und Frauenrechte. / © Hartmut Schwarzbach ( missio )

Wir sehen, dass die Integration von Geschlechterperspektiven nicht ausreichend berücksichtigt wird; dass nicht genug finanzielle Mittel von den reicheren Ländern an die armen Länder gehen, um lokale Umsetzung überhaupt möglich zu machen. 

Wir sehen hier in unseren Projekten, dass es unfassbar wichtig ist, die Entwicklung und Ernährungssicherheit durch landwirtschaftliche Anpassung möglich zu machen und Aufklärungsarbeit finanziell zu unterstützen. Da ist ein ganz großer Bereich, der nicht ausreichend finanziell unterstützt wird, weil hier vor Ort nicht ausreichend Sichtbarkeit für dieses Thema geschaffen wird. 

DOMRADIO.DE: Wagen wir noch einen kurzen Blick in die Zukunft. Welche Erfahrungen machen Sie bei missio mit ihren Partnerländern, wo es jetzt in den kommenden Jahren hingehen muss? 

Regina Elbracht

"Es muss hingehen zu mehr Solidarität." 

Elbracht: Es muss hingehen zu mehr Solidarität. Unsere Partner sind teilweise sehr betroffen von Dürre, von dem Steigen des Meeresspiegels. Ihre Lebensgrundlage wird ihnen im wahrsten Sinne des Wortes genommen. 

Wir haben aktuell den Weltmissionsmonat, unser Fokus ist Papua Neuguinea. Wir haben Gäste aus dem Land hier in Deutschland in verschiedenen Diözesen zu Gast, die davon berichten, wie dieses Ansteigen des Meeresspiegels ihre Lebensgrundlage verschwinden lässt. Und da einen Austausch zu machen und aber vor allem auch ganz verstärkt darauf hinzuarbeiten, dass wir eine globale Welt sind und eben nicht zwei unterschiedliche Teile - das ist ein großes Ziel und das sollten wir weiterhin verfolgen, nicht nur auf dem Papier, sondern auch ganz konkret durch die Arbeit von Hilfswerken, aber auch von Regierungsseite. 

Das Interview führte Carsten Döpp.

Das Hilfswerk missio

Das Internationale Katholische Missionswerk missio mit Sitz in Aachen und München ist eines von weltweit mehr als 100 Päpstlichen Missionswerken. Missio München ist das Missionswerk der bayerischen, missio Aachen das der anderen deutschen Bistümer. Das Wort missio kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Sendung.

 (KNA)
Quelle:
DR