domradio.de: Asia Bibi sitzt seit Jahren im Gefängnis. Haben Sie aktuelle Informationen, wie es ihr geht?
Johannes Seibel: Sie sitzt immer noch in Einzelhaft. Allerdings ist dies innerhalb des Gefängnisses auch eine Schutzmaßnahme. Es geht ihr nicht besonders gut. Sie ist aber dennoch hoffnungsvoll. Ihre Familie war in der vergangenen Zeit auf einer Tour durch Europa und durch Amerika, um noch einmal Unterstützung zu mobilisieren.
domradio.de: Immerhin ist ja die Todesstrafe ausgesetzt worden. Was genau heißt das?
Johannes Seibel: Das waren ein sehr wichtiger Schritt und auch ein Zeichen. Es ist bisher noch kein Todesurteil wegen Blasphemie vollstreckt worden. Aber nach mehreren Anschlägen im vergangenen Jahr und im Februar diesen Jahres hat Pakistan sein Moratorium zur Todesstrafe ruhen lassen. Also kann die Todesstrafe wieder vollstreckt werden. Und das war die Befürchtung, dass jetzt, wo das Todesurteil wieder vollstreckt werden kann, auch das Urteil gegen Asia Bibi vollstreckt werden könnte. Diese Befürchtung muss man nach der Aussetzung nicht mehr haben.
domradio.de: Auch missio hat sich mit einer Unterschriftenaktion für sie eingesetzt und viele deutsche Politiker haben Asia Bibi unterstützt. Was hat denn Ihrer Meinung nach den Ausschlag gegeben, dass sie nach momentanem Stand nicht von einer Hinrichtung bedroht ist?
Johannes Seibel: Da gibt es mehrere Faktoren. Zunächst einmal zählt auch der internationale Druck. Asia Bibi ist mittlerweile international bekannt und ein Beispiel für das Thema Blasphemie in Pakistan. Unsere Unterschriftenaktion haben rund 18.000 Menschen unterstützt, international wurden ungefähr 500.000 Unterschriften überreicht. Unsere Unterschriften wurden an die Regierung in Punjab, dem Bundesstaat, in dem Asia Bibi einsitzt, überreicht. Das ist der eine Punkt, dass sich Pakistan bewusst ist, es handelt sich hier um einen internationalen Fall. Der zweite Punkt ist, dass die pakistanische Justiz beim obersten Gerichtshof wesentlich besser geschützt ist als in den Berufungsinstanzen darunter. Das heißt, wenn in den unteren Berufungsinstanzen das Urteil nicht aufgehoben wurde, hat das auch mit der Angst der Richter vor möglichen Konsequenzen zu tun.
domradio.de: Generell kritisiert wird auch der Missbrauch des Blasphemieparagrafen. Gibt es denn jetzt eine Chance, dass Pakistan das Gesetz ändert?
Johannes Seibel: Das ist in der Tat eine wichtige Angelegenheit. Denn auch die Kirche in Pakistan kämpft schon seit Jahren dafür, dass der Missbrauch bestraft wird bzw. dass die Regierung dafür sorgt, dass der Missbrauch nicht mehr möglich ist. Hier gibt es Meldungen und Initiativen innerhalb des Parlamentes in Pakistan und des Justiz- und Innenministeriums. Hier wäre auch die Bundesregierung gefordert, solche Initiativen zu unterstützen, damit der Missbrauch der Blasphemiegesetze in Pakistan unterbunden wird.
domradio.de: Ein Problem in Pakistan ist auch die Lynchjustiz. Was würde denn passieren, wenn Asia Bibi frei käme, aber das Land nicht verlassen dürfte. Wäre sie dann in Gefahr?
Johannes Seibel: Das ist der Knackpunkt. Ich werte es eher als positives Zeichen, dass sich die Verhandlungen in der Berufung längere Zeit hinziehen. Das deutet darauf hin, dass der oberste Gerichtshof sich tatsächlich Zeit nehmen will, das Urteil richtig zu prüfen und dann auch eine wasserdichte Begründung vorzulegen. Der zweite Punkt ist: Wenn Asia Bibi frei gelassen werden sollte, dann müsste sie sofort mit ihrer Familie in einem anderen Land Asyl finden. Da ist es sehr wichtig, dass sich Regierungen - sei es in Deutschland, Frankreich oder Großbritannien - jetzt schon mit den entsprechenden Stellen in Verbindung setzen, um ein Verbringen ins Ausland vorzubereiten. Denn, leider Gottes, haben nach Freisprüchen aufgrund von Blasphemievorwürfen bereits rund 50 Lynchmorde in Pakistan stattgefunden. Das würde Asia Bibi sonst auch drohen.
domradio.de: Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Verena Tröster