Antike Schriftrollen aus Israel bald entziffert?

Mit dem Teilchenbeschleuniger ins biblische Zeitalter

Sie zählen zu den größten ideellen Schätzen des Heiligen Landes: uralte Schriftrollen mit Texten aus biblischer Zeit, wie jene aus Qumran. Doch um sie zu erschließen, braucht es modernste Technik.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Ein Auszug aus den Qumran-Rollen: Genesis 1.1 aus dem Alten Testament / © Shai Halevi (dpa)
Ein Auszug aus den Qumran-Rollen: Genesis 1.1 aus dem Alten Testament / © Shai Halevi ( dpa )

Ein internationales Forscherteam steht offenbar kurz davor, eine Methode zum Auslesen stark beschädigter Schriftrollen vom Toten Meer zu entwickeln. Schriftrollen, die zu spröde sind, um ausgerollt zu werden, sollen mit Hilfe eines Synchrotons, eines ringförmigen Teilchenbeschleunigers, virtuell entrollt werden.

Damit soll den Forschern ermöglicht werden, die 2.000 Jahre alten Texte zu entschlüsseln, ohne die Rollen zu öffnen, wie die Tageszeitung "Haaretz" (Dienstag) berichtete.

Rolle kann nicht in Schichten geöffnet werden

Obwohl der Fundort der Rollen am Toten Meer zu den trockensten Orten der Erde gehört, seien sie durch Feuchtigkeit beschädigt worden. Dies habe zu einem Prozess der Verklebung geführt, der Papyrus oder Pergament in einen Klumpen verwandle, erklärte die für die Rollen zuständige Kuratorin der israelischen Antikenbehörde (IAA), Pnina Schor, laut Bericht. Der Versuch, die Rollen in Schichten zu öffnen, würde sie mit ziemlicher Sicherheit zerstören.

Das Projekt baut auf dem jüngsten Erfolg des Teams bei der Entschlüsselung verkohlter Überreste einer Schriftrolle auf, die in den Ruinen einer antiken Synagoge in Ein Gedi gefunden wurden. Es gelang den Forschern, durch Mikrocomputertomografie und Bildgebungsalgorithmen die Ebenen der verbrannten Rolle digital zu trennen und die Rolle digital zu öffnen. Der dadurch lesbare Text erwies sich als der Beginn des biblischen Buchs Levitikus. Es handelte sich demnach um die älteste Torah-Rolle, die seit den Schriftrollen von Qumran gefunden wurde.

Metallfreie Tinte erschwert den Prozess

Anders als bei der im Vergleich zu den Qumranrollen jüngeren Rolle von Ein Gedi wurden die früheren Rollen in der Regel mit einer metallfreien Tinte geschrieben, was den Prozess laut Bericht erschwert. Ferner komme erschwerend hinzu, dass die Fragmente kleiner sind.

Hochauflösende Scans aus dem Jahr 2018 zeigten demnach Buchstaben auf den Pergamenten, machten aber deutlich, dass es eine noch bessere Auflösung benötige, um die Texte lesen zu können.

Synchrotron "Sesame" könnte helfen

Die Teilchenbeschleuniger sollen nun dazu genutzt werden, um Röntgenstrahlen zu erzeugen, die noch bessere Scans der Fragmente erlauben. Die von den beschleunigten Partikeln erzeugten Röntgenstrahlen seien viel feiner könnten eine Auflösung im Nanometerbereich erreichen, erklärte der an den Forschungen beteiligte US-amerikanische Computerwissenschaftler Brent Seales.

Wo genau der Prozess stattfinden soll, ist derzeit laut Zeitung noch unklar. Eine Möglichkeit wäre die Nutzung des Synchrotrons "Sesame" in Jordanien. Es sei jedoch nicht sicher, ob der Teilchenbeschleuniger der Aufgabe gewachsen sei und ob angesichts der angespannten diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Jordanien eine Garantie ausgehandelt werden könnte, dass Jordanien keines der Artefakte beschlagnahmt. Die Schriftrollen werden aufgrund ihres Fundorts auch von Jordanien und Palästina beansprucht.

Corona spielt auch hier eine Rolle

Der Beginn der Experimente hängt ferner ab von den Corona-bedingten Reisebeschränkungen, so der Bericht. An dem Projekt beteiligt sind Archäologen, Informatiker und Physiker aus verschiedenen Ländern.

Die Qumran-Rollen, die zu den wichtigsten archäologischen Funden des 20. Jahrhunderts gehören, wurden in den 1940er-Jahren gefunden und enthalten 2.000 Jahre alte jüdische Texte, darunter auch Abschriften aus der Bibel.


Quelle:
KNA