Es war unmöglich, von Pater Gumpel nicht beeindruckt zu sein. Die hohe Stirn, die hagere Gestalt, sein Deutsch mit leichtem holländischen Akzent - wer ihm einmal begegnet war, vergaß ihn nicht. Er verfügte über ein beinahe lexikalisches Gedächtnis und konnte zwischen zwei Zigaretten druckreif in vier Sprachen darüber referieren, was Pius XII. wann und unter welchen historischen Umständen zur Judenverfolgung gesagt oder zur Rettung von Juden vor den Nazi-Schergen unternommen hatte. Nun ist er im Altenheim der Jesuiten-Zentrale in Rom im Alter von fast 99 Jahren verstorben.
Berichterstatter im Seligsprechungsverfahren für Papst Pius XII.
Internationale Bekanntheit erlangte Gumpel als Berichterstatter im 1974 eröffneten Seligsprechungsverfahren für Papst Pius XII. (1939-1958). Als "Relator" in dem langwierigen kirchenrechtlichen Prozess nahm er den Weltkriegs-Papst gegen den Vorwurf des Schweigens zum Holocaust in Schutz.
Ebenso verteidigte der seit den 1950er Jahren in Rom lebende deutsche Jesuit das Kirchenoberhaupt in zahllosen Interviews; und das obwohl oder gerade weil Pius XII. seit dem Hochhuth-Drama "Der Stellvertreter" und dem daraus entstandenen Kinofilm für viele als opportunistischer Nazi-Handlanger galt. Zugleich wies der Jesuit Vorwürfe zurück, der Vatikan wolle Akten über Pius XII. unter Verschluss halten. Er selbst hatte als einer der ersten Einblick in die für Historiker lange Zeit nicht zugänglichen Dokumente.
Keine Seligsprechung von hochverehrtem Papst
Gumpel litt darunter, dass der von ihm hochverehrte Papst aus - wie es ihm schien - durchsichtigen politischen Gründen, nicht selig gesprochen wurde. Und das umso mehr, als andere Päpste, die in weit weniger gefahrvollen Umständen gelebt und gewirkt hatten, von der Kirche vergleichsweise rasch in den Kreis der Seligen oder Heiligen befördert wurden.
Zeitzeuge des Zweiten Vatikanischen Konzils
Zugleich war der Historiker und emeritierte Professor an der Universität Gregoriana einer der letzten Zeitzeugen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 - 1965). An der größten Bischofsversammlung aller Zeiten hatte der als Sprachengenie bekannte Gumpel als Berater und Übersetzer teilgenommen. Er sorgte dafür, dass selbst die im Lateinischen eher unbeholfenen Amerikaner und Afrikaner perfekte Reden in der damals noch offiziellen Kirchensprache vortragen konnten.
Um Gumpels Familiengeschichte ranken sich Legenden. Über seine wahre Herkunft schwieg der 1923 in Hannover geborene hartnäckig. Allerdings ließ er in persönlichen Gesprächen durchblicken, dass er aus einer wohlhabenden, einflussreichen Familie stammte und dass "bei uns zuhause noch zu Beginn der Nazizeit wichtige Leute ein und aus gingen".
Jüdische Bankiersfamilie Gumpel
Hannoveraner Lokalhistoriker vermuten, dass er aus der jüdischen Bankiersfamilie Gumpel stammte. Sein zum Katholizismus konvertierter Vater wäre demnach 1938 nach Portugal emigriert, während der noch minderjährige Sohn bei den Jesuiten in Nijmwegen Aufnahme fand.
Dort erlebt er 1942 die Deportation der niederländischen Juden mit. Beinahe hätte es ihn damals selbst erwischt. Denn nach einer öffentlichen Intervention der niederländischen Bischöfe gegen die Judenverfolgung wurden auch all jene Juden deportiert, deren Familien zum Christentum konvertiert waren.