Das Mitnehmen weggeworfener Lebensmittel aus Abfallbehältern, das sogenannte Containern, soll in Deutschland straffrei werden. Der Hamburger Justizsenator Till Steffen (Grüne) habe einen entsprechenden Antrag für die Konferenz der Justizminister der Bundesländer in der kommenden Woche vorbereitet, berichten "Neue Osnabrücker Zeitung" und "Pinneberger Tageblatt".
Bisher gilt es als Diebstahl, Nahrungsmittel aus Müllcontainern zu holen, die Supermärkte und Fabriken wegen abgelaufener Mindesthaltbarkeitsdauer oder Druckstellen weggeworfen haben.
Wegwerfen, was noch genießbar ist?
Hamburgs Justizbehörde wolle den Bund auffordern, das "Containern" zuzulassen, berichten die Zeitungen. Es könne nicht sein, dass hierzulande tonnenweise noch genießbare Lebensmittel weggeworfen werden, andererseits aber diejenigen bestraft würden, die gegen Lebensmittelverschwendung aktiv seien.
"Containern" betreiben in der Regel sowohl Obdachlose als auch Aktivisten, die damit gegen Auswüchse der Überflussgesellschaft protestieren. Hamburg wolle, dass der Bund eine Neuregelung dieser Eigentumsaufgabe im Falle von Lebensmitteln prüft.
Alternative: Wegwerfverbot für Supermärkte
Alternativ schlägt Steffen nach Angaben der Zeitungen vor, dem Containern die faktische Grundlage gleich ganz zu entziehen, indem für Supermärkte ein Wegwerfverbot geschaffen wird. Vorbild könne Frankreich sein, das 2016 ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung erlassen hat.
Dort müssen Lebensmittelmärkte mit mehr als 400 Quadratmetern Ladenfläche nicht verkaufte Nahrungsmittel an gemeinnützige Organisationen verschenken.
Erzbistum Hamburg: Kriminalisierung aufheben
Die Umweltbeauftragte des Erzbistums Hamburg, Martina Skatulla, betonte, dass die Kriminalisierung "sozial schwacher und umweltengagierter Menschen" aufgehoben werden solle. Sie sehe in einem "Überangebot der Lebensmittelindustrie auch die Verschwendung natürlicher Ressourcen und die Benachteiligung der armen Landbevölkerung weltweit".
Auch der Sprecher der Caritas Hamburg, Timo Spiewak, begrüßte die Initiative des Senators. "Containern ist nicht nur eine Frage der Nachhaltigkeit, sondern auch ein Ausdruck existenzieller Armut. Menschen, die auf diese gespendet Lebensmittel angewiesen sind, dürfen zusätzlich nicht noch strafrechtlich verfolgt werden."
Greenpeace: "Schritt in die richtige Richtung"
Die Umweltorganisation Greenpeace bezeichnete die Gesetzesinitiative gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur als "Schritt in die richtige Richtung". Deren Konsumexpertin Viola Wohlgemuth forderte aber "weitergehende Maßnahmen nach französischem Vorbild".
Die dortige "Umkehr der Beweislast" könnte ihrer Einschätzung nach auch in Deutschland bewirken, dass weniger Lebensmittel weggeschmissen werden. Eine bundesweit einheitliche Regelung dürfe nicht am Widerstand der Länder scheitern, fügte Wohlgemuth hinzu. "Letztendlich wünschen wir uns ein Verbot, neuwertige oder voll funktionsfähige Konsumgüter zu vernichten."