Wenn es nur wenige Bilder von Konflikten gibt, stoßen auch die Konflikte auf wenig Interesse. Ein Dilemma für Hilfsorganisationen, denn gerade aus umkämpften Regionen ist Berichterstattung bisweilen kaum möglich. Zwar gibt es dennoch Berichte vom Bürgerkrieg in Syrien, von der Vertreibung tausender Menschen aus dem Nordirak oder den verheerenden Zuständen in Libyen.
Doch die Aufmerksamkeit schwindet rasch. Mossul ist weit weg.
Mittendrin im zerstörten Mossul steht der Besucher einer Ausstellung, die ab Freitag in der Bonner Bundeskunsthalle zu sehen ist. Die irakische Stadt war lange bekannt für ihre multireligiöse Bevölkerung und deren friedliches Miteinander. 2014 brachte die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) die Stadt unter ihre Kontrolle; Angehörige von Minderheiten wurden vertrieben, Gebäude geplündert und zerstört.
Der Krieg wird anschaulich
Nun ist die Große Moschee mit ihrem schiefen Minarett in einer schier überwältigenden Projektion in Bonn zu sehen, ebenso die Kirche Unserer Lieben Frau von der Stunde. Die Kirche wurde 2016 geplündert und in die Luft gesprengt, die Moschee ein Jahr später weitgehend zerstört.
Bei der Kamerafahrt durch Mossul fallen aber auch Details auf: hier ein Auto, dort eine Regentonne - und auf einmal wird der Krieg anschaulich, kann der Betrachter erahnen, wie diese Bilder erst auf Menschen wirken müssen, für die diese Häuser, Gassen und Gotteshäuser einst Heimat waren.
Vier Städte - neben Mossul die syrischen Orte Aleppo und Palmyra sowie die antike libysche Stadt Leptis Magna - sind in der Bundeskunsthalle zu sehen. Modernste Technik ermöglicht riesige, hyperrealistische 3D-Projektionen; geschwungene Leinwände und eine geschickte Architektur der Ausstellungsräume sorgen zusätzlich dafür, dass der Eindruck über den einer TV-Dokumentation weit hinausgeht.
Und genau das ist das Ziel: Die virtuelle Reise durch die Orte, die zum Unesco-Weltkulturerbe zählen, sollten nachvollziehbar machen, "welche verheerenden Folgen der Krieg auch auf kultureller Ebene hat", sagt der Intendant der Bundeskunsthalle, Rein Wolfs. Er hat die Schau im vergangenen Herbst in Paris gesehen, konzipiert vom Institut du monde arabe - und wollte sie unbedingt auch in der früheren Bundeshauptstadt zeigen. "Es ist kulturpolitisch eine sehr wichtige Ausstellung", betont Wolfs.
"Das öffentliche Bewusstsein" stärken
Im Sommer 2015 sah die Weltöffentlichkeit erschüttert zu, als IS-Terroristen vor laufenden Kameras die Tempel und Skulpturen von Palmyra zerstörten, einer antiken Oasenstadt in Syrien. Schon damals geißelten Experten den Versuch, kulturelle Identität auszulöschen.
Das bauliche Erbe der Menschheit ist indes vielfältigen Gefahren ausgesetzt, und auch darauf weist die Bonner Schau hin. Den Schlusspunkt bilden Darstellungen der Tempel von Angkor in Kambodscha, des Minaretts von Samarra (Irak) oder der Ausgrabungsstätten Delos in Griechenland: Sie sind bedroht, teils durch Vandalismus, teils durch Umweltkatastrophen - oder aber den Umstand, dass niemand ihren Erhalt sichern kann.
Die Ausstellung werde "das öffentliche Bewusstsein für die Dringlichkeit" dieser Thematik stärken, schreibt Unesco-Generaldirektorin Audrey Azoulay im Begleitkatalog.
Leise tönt orientalische Musik durch die Museumsräume. Mal scheint sie die Bilder von Zerstörung schmerzlich zu untermalen, dann klingt sie wieder hoffnungsvoll. Es sei eine "beispiellose Herausforderung" gewesen, eine "Ausstellung ohne Werke" zu erarbeiten, sagt der Präsident des Institut du monde arabe, Jack Lang. Ein Teil der Aufnahmen, die nun gezeigt werden, stammt von Iconem, einem Unternehmen, das digitale 3D-Modelle bedrohter Wahrzeichen entwickelt – mit Hilfe von Drohnenfotografie und Künstlicher Intelligenz.
Daneben werden Virtual-Reality-Erlebnisse angeboten, entwickelt von der Videospielfirma Ubisoft. Über VR-Brillen können Besucher etwa den gesprengten Tempel des Baalschamin in Palmyra erkunden oder die Basilika von Leptis Magna. Als Spielerei sehen die Ausstellungsmacher dies keineswegs: Digitaltechnologie sei "beim Schutz gefährdeter Kulturstätten ein unverzichtbares Werkzeug" für Archäologen und internationale Organisationen geworden, so Lang.