MOAS-Stiftung fordert mehr Menschlichkeit

"Es ist ein Vater, eine Mutter, ein Kind"

Die Organisation MOAS ist eine in Malta ansässige Stiftung, die mit ihrem Schiff Phoenix Flüchtlinge auf dem Mittelmeer rettet. Diese Seenotrettungs-Initiative hat den Erlös der Solidaritätsaktion "23.000 Glockenschläge" des Erzbistums Köln bekommen und schon eingesetzt, sagt der MOAS-Leiter Martin Xuereb.

MOAS-Rettungsaktion (dpa)
MOAS-Rettungsaktion / ( dpa )

domradio.de: Sie sind immer vor Ort, wie sieht denn zurzeit die Lage im Mittelmeer aus?

Martin Xuereb (Leiter von MOAS): Es ist eine Tragödie, es ist eine große Tragödie, die sich auf dem Mittelmeer abspielt. Da sind Menschen, die fühlen, dass sie keine andere Wahl haben, als ihre Heimat zu verlassen. Darum sollten wir weniger darüber nachdenken, was die Leute hierher zieht, sondern was sie nach Europa treibt. Wenn wir draußen auf dem Meer sind und wir mit den Menschen sprechen, die gerettet worden sind, sagen alle, dass sie ihre Heimat verlassen haben, weil es keine andere Möglichkeit gab, als diesen gefährlichen Weg anzutreten.

domradio.de: Wie sieht so eine Rettungsaktion mit ihrem Schiff Phoenix aus?

Martin Xuereb: Jede Rettungsaktion ist sehr intensiv. Auf den Booten, die normal 20 bis 30 Menschen tragen sollen, sind meist 500 Leute mit verschiedenen Nationalitäten, verschiedenen Sprachen und Erwartungen. Jeder Mensch ist sehr verängstigt auf diesem in Not geratenen Boot. Darum muss man sich ihnen auf eine ganz gewisse Weise nähern. Man muss den Leuten klar machen, dass wir da sind, um ihnen allen zu helfen. Dann muss man die Rettung in einer sehr professionellen Art durchziehen. Wir müssen versuchen, jeden auszublenden, der nach Hilfe schreit und selbst ruhig dabei bleiben, damit wir uns einen Überblick verschaffen können. Wir geben ihnen Rettungswesten, weil das Boot jede Minute umkippen kann. Dann fangen wir an die Flüchtlinge von dem Boot zu holen. Frauen, Kinder und Verletzte kommen meist zuerst dran. Weiter schauen wir, ob es jemanden auf dem Boot gibt, mit dem man sprechen kann. Wir handhaben die ganze Rettungsaktion fast so, als ob es ein Militäreinsatz wäre. Darum ist es bei den vielen Rettungen, die wir schon vollzogen haben, bisher noch zu keinem Unfall gekommen.

domradio.de: Was fordern Sie bezüglich dieser schweren Flüchtlingskrise?

Martin Xuereb: Was uns inspiriert hat, war ein direkter Appell von Papst Franziskus, gegen die Globalisierung der Gleichgültigkeit anzukämpfen. Wir haben entschieden das zu tun, was getan werden muss, um Menschen auf der See zu retten, denn das Leben steht bei uns an oberster Stelle und es kann ein Vater, eine Mutter oder ein Kind sein, die sich auf diesen gefährlichen Weg begeben. Für MOAS ist es wichtig, allen zu helfen, egal welche Religion oder Nationalität sie haben. Für uns steht die Menschlichkeit im Vordergrund. Wir hoffen als Stiftung, dass wir andere inspirieren können, uns zu helfen, um das Sterben auf der See endlich zu stoppen. In 2015 können wir nicht in einer Welt leben, in der Menschen neben uns sterben, so als ob nichts passiert wäre.

domradio.de: Wie konnten Sie die Spenden aus dem Erzbistum Köln einsetzen?

Martin Xuereb: Erst einmal möchte ich meinen Dank ausdrücken über die große Spende, die uns sehr überrascht hat. Ich bin beeindruckt von der Großzügigkeit der Menschen aus Köln. Es ist eine Bestätigung, dass die Deutschen dieses Thema wirklich bewegt. Das Geld wurde schon vor einigen Wochen nach Malta geschickt. Wir haben es schon für das Schiff benutzt, das wir chartern müssen, für das Personal, für Treibstoff und für die Drohnen. Es gibt da viele laufende Kosten. Unsere Arbeit kostet ungefähr eine halbe Millionen Euro pro Monat, aber was für einen Wert wollen wir einem menschlichen Leben geben? Ein Leben kann man nicht an Geld messen. Bisher haben wir 10.000 Menschen retten können und wenn wir über 2.500 Menschen pro Monat retten, dann würde ich sagen, dass die Spende aus Köln dazu beigetragen hat, 2.000 Menschenleben zu retten.

domradio.de: Was brauchen sie noch für Ihre Rettungsaktionen auch mit Blick auf die kommenden Wintermonate?

Martin Xuereb: Bis Ende Oktober sind wir mit 400.000 Euro im Minus. Also muss es uns in den kommenden zwei Monaten noch gelingen, diese Summe durch Spendengelder zu bekommen. Aber dann müssen wir auch an MOAS nach Oktober denken. Wir haben Pläne und wir wollen weitermachen, darüber zu sprechen und das Thema menschlicher zu machen. Denn wenn wir glauben, dass die Flüchtlinge eine Last sind, dann nehmen wir einen bestimmten Blick ein. Wenn wir aber fühlen, dass es eine Verantwortung ist, diesen Menschen zu helfen, dann haben wir schon einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Wir wären sehr glücklich, wenn es 2016 MOAS nicht mehr geben müsste, aber es ist zu befürchten, dass  Menschen auch weiterhin Hilfe auf See brauchen.

Das Gespräch führte Theresa Meier.


Quelle:
DR