DOMRADIO.DE: Was sind denn das für Fenster, die sie in der Kirche Sankt Barbara in Essen gerettet haben?
Annette Jansen-Winkeln (Kunsthistorikerin): In Essen waren es einige Fenster aus dem Seitenschiff von Wilhelm de Graaff und ein Fenster war noch dabei, was aus der Zeit um 1900 von der Firma Reuter und Reicherts aus Köln stammte. Wir kennen leider nicht ganz genau das Entstehungsjahr, aber es ist auch ein sehr schönes altes Fenster gewesen, auf der Maria mit einem Kind abgebildet war.
DOMRADIO.DE: Wie schwierig ist es denn, wenn man so wie Sie an die Gemeinde tritt und die Leute dazu aufruft, die Fenster zu retten. Geht das so einfach?
Jansen-Winkeln: Nein, das geht natürlich nicht. Es muss sehr viel Bereitschaft von der Gemeinde da sein. Und es ist immer die Frage: Wer bezahlt das? Vielfach bezahlen wir das selber. Aber das können wir nicht in allen Fällen. Da sind unsere finanziellen Möglichkeiten ausgeschöpft. Ich bin auch der Meinung, dass das überhaupt nicht nötig ist, sondern diese Grundstücke, auf denen die Kirchen abgerissen werden, werden ja vermarktet. Es sollte durchaus möglich sein, im Vorfeld schon Lösungen zu finden, wie die Dinge bezahlt werden, die gesichert werden müssen. Da bin ich der Meinung: Eigentum verpflichtet. Wer Kultur und Kunst besitzt, der ist auch verpflichtet diese zu erhalten.
DOMRADIO.DE: Bei welchen Fenstern war denn die Rettungsaktion am schwierigsten?
Jansen-Winkeln: Natürlich im Immerather Dom. Da hatten wir nur vier Tage Zeit und eigentlich hätten 42 Fenster ausgebaut werden können. Aber wenn dann so direkt der Bagger vor der Tür steht und man einen Zeitkampf gegen den Bagger führen muss, ist das fast schon unmenschlich.
DOMRADIO.DE: Über 650 Fenster haben sie schon gerettet, wo bringen Sie die alle unter?
Jansen-Winkeln: Wir haben eine große Tiefgarage und da konnten wir ein entsprechendes Depot einrichten. Aber es füllt sich zusehends und in einer derartigen Geschwindigkeit, wie ich das nicht für möglich gehalten hätte. Außerdem ist das eigentlich gar nicht unsere Aufgabe. Wir haben uns ursprünglich mal gedacht, dass wir Glasmalerei dokumentieren. Wir dokumentieren das, was in allen Kirchen, Kapellen, aber auch in Rathäusern, Schulen an Glasmalerei vorhanden ist, weil es eben sehr wichtige Kultur- und Geschichtszeugnisse sind. Dass wir jetzt erfahren, wenn Gebäude abgerissen oder umgewidmet werden, das ist ein Nebenprodukt, vor dem wir uns gar nicht drücken können.
DOMRADIO.DE: Was könnten Sie denn mit diesen Kirchenfenstern machen?
Jansen-Winkeln: Zunächst mal ist es ganz wichtig, dass diese vor der Zerstörung bewahrt werden. Einige der Fenster sind auf Ausstellungen gezeigt worden und es sind etliche wieder an anderen Orten verwendet worden. Dass Glasmalerei nochmal genutzt wird, ist überhaupt nichts Besonderes. Das gibt es selbst im Kölner Dom, in dem auch Glasmalerei aus älteren Klöstern wiederverwendet wurde.
DOMRADIO.DE: Was für einen emotionalen Stellenwert haben Kirchenfenster bei den Gemeinden?
Jansen-Winkeln: Kirchenfenster haben bei allen Menschen einen sehr großen emotionalen Stellenwert. Das liegt vor allem an der Leuchtkraft der farbigen Gläser. Das liegt an der Stimmung, die dieses Farblicht im Raum verursacht. Das liegt an den Lichtreflexen, die sich auf den Wänden widerspiegeln. Dieses Farblicht ist einfach etwas, was den Mensch ganz besonders anspricht und jeder hat ein ganz besonderes Empfinden dafür.
DOMRADIO.DE: Was steht denn als nächstes in Sachen Kirchenfenster auf dem Programm?
Jansen-Winkeln: Es werden sicherlich in der nächsten Zeit auch wieder Kirchen aufgegeben und abgerissen. Aber wir haben jetzt zurzeit keine so aktuelle Anfrage. Wir setzen im Moment unsere Erhebung der Glasmalerei fort, sodass wir einen sehr großen kulturellen Zusammenhang haben, in dem wir die Glasmalerei noch besser geschichtlich untersuchen können.
Das Gespräch führte Heike Sicconi.