Monsignore Schroedel seit 20 Jahren Seelsorger in Ägypten

Unterwegs mit Segenskreuz und Handy

Eigentlich nennen ihn alle nur "Abouna Joachim" – "Vater Joachim": Seit über 20 Jahren ist Monsignore Joachim Schroedel Seelsorger in Ägypten und dort für deutschsprachige Katholiken vom Libanon bis nach Eritrea zuständig. Ein Portrait.

Autor/in:
Ina Rottscheidt
Monsignore Joachim Schroedel (Bistum Mainz)

Ein Segenskreuz, das jeder orientalische Priester bei sich trägt, um die Menschen zu segnen, hat auch Monsignore Joachim Schroedel stets dabei "Ich trage es gern und ich teile so das orientalische Priestertum mit meinem", sagt er. "Außerdem sind viele Christen, besonders die Kopten, dankbar für dieses Zeichen." Seit über 20 Jahren ist Joachim Schroedel Seelsorger in Ägypten und dort für deutschsprachige Katholiken vom Libanon bis nach Eritrea zuständig. Über diese Zeit hat er jetzt das Buch: "Mit Segenskreuz und Handy. 20 Jahre als Priester im Nahen Osten" geschrieben.

Die Begeisterung für den Nahen Ostens wurde bei ihm bereits während eines Studienjahres in Jerusalem geweckt. 1983 wurde Joachim Schroedel in Mainz zum Priester geweiht und als ein neuer Leiter für die deutschsprachige Gemeinde in Kairo gesucht wurde, musste er nicht lange nachdenken. Am 14. August 1995 kam Schroedel in die Millionenmetropole am Nil, die ihn mit Hitze, Smog und Verkehrschaos begrüßte. An diesen Tag erinnert er sich bis heute: "Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, weil es so warm war, aber als am nächsten Morgen in der ganzen Stadt der Muezzin zum Gebet rief, war ich fasziniert. So eine religiös gesättigte Atmosphäre! Da dachte ich mir: Darauf will ich mich einlassen!"

Immer in Soutane unterwegs

Die ägyptische Gesellschaft ist religiös, deshalb wundert sich auch niemand über den Mann, der stets in schwarzer Soutane unterwegs ist. "Ich habe mich irgendwann entschieden, meine Anzüge zu verschenken und nur noch Soutane zu tragen", erzählt Schroedel im Gespräch mit domradio.de. "Außer vielleicht bei der Gartenarbeit, da trage ich Jeans", fügt er lachend hinzu. In Ägypten nehme daran keiner Anstoß, sagt er, es sei ein Stück Normalität, schließlich seien auch seine muslimischen Amtsbrüder, die Sheikhs, an ihrer Kleidung zu erkennen. "Die Ägypter finden es eher irritierend, wenn ein Mann Gottes so herumläuft, wie sie selbst." In Deutschland sei das umgekehrt: "Wenn ich hier in Köln in Soutane über die Domplatte laufe, schauen die Leute mir nach und fragen: Was ist das denn für ein komischer Typ?", sagt er und lacht.

Die deutschsprachige Markusgemeinde in Kairo ist keine Pfarrgemeinde im klassischen Sinn, die rund 2000 Mitglieder wohnen überall verstreut in der ganzen Stadt. Viele hundert Kilometer ist Schroedel daher jeden Monat unterwegs, auch in anderen Landesteilen und in den Touristengebieten am Roten Meer. "Wir verstehen uns als Insel und Brücke zugleich", sagt der Monsignore. "Insel zum Beispiel für die vielen älteren deutschen Frauen, deren ägyptische Männer schon gestorben sind. Für sie sind wir ein Stück Heimat". Zugleich engagiert er sich für ein caritatives Müllprojekt in Kairo und setzt sich für den christlich-muslimischen Dialog ein.

Angst vor dem IS

Im Alltag funktioniere das Zusammenleben von Christen und Muslimen gut, erzählt Schroedel: "Die Muslime in Ägypten sind sehr tolerant. Immerhin leben sie seit 1400 Jahren mit den Christen zusammen." Doch es gibt auch  Radikale: Erst im Dezember hatte sich ein Fanatiker in der St.-Peter-und-Paul-Kirche in Kairo während eines Gottesdienstes in die Luft gesprengt und 29 Menschen getötet. Die Tat reklamierte der selbst ernannte Islamische Staat für sich. "Wenn Sie mit den Ägyptern sprechen, verurteilen alle die Gewalt und beteuern – wie das auch in Deutschland oft getan wird - das habe nichts mit dem Islam zu tun." Monsignore Joachim Schroedel ist anderer Ansicht: "Zwar gibt es wunderschöne Texte im Koran, aber es gibt eben auch Stellen, in denen explizit dazu aufgerufen wird, Ungläubige zu töten. Und es gibt keine muslimische Autorität, die diese Passagen für nichtig erklären kann", sagt er.

Formell sind die Christen in Ägypten den Muslimen gleichgestellt. Sie machen rund 10 Prozent der Bevölkerung aus und gehören mehrheitlich der koptisch-orthodoxen Kirche an. Doch seit der IS versucht, sich auf der Sinai-Halbinsel auszubreiten, werden sie immer häufiger zur Zielscheibe. Hunderte fliehen derzeit vor dem Terror der Extremisten. Und kürzlich erst veröffentlichte der IS ein Video, in dem er dazu aufrief, ägyptische Christen zu töten. Er habe sie zu "Kufar", zu Ungläubigen erklärt, so Joachim Schroedel. Im Sinai herrsche daher große Angst. 

In seiner deutschsprachigen Gemeinde in Kairo sieht man die Entwicklungen hingegen noch gelassen. Zwar seien die Sicherheitsvorkehrungen bei öffentlichen Einrichtungen und Botschaften erhöht worden, so der Monsignore, "aber man muss als Christ nicht mit eingezogenem Kopf herumlaufen und sich vor einem Angriff fürchten."

"Gott ist da!"

Im Sommer 2014 sollte Schroedel eigentlich zurück nach Deutschland kommen, so hatte es die Deutsche Bischofskonferenz entschieden, die Stelle des Auslandsseelsorgers in Kairo sollte gestrichen werden. "Aber ich wollte die Gemeinde, die Frauen, die Expats und die Schulen nicht alleine lassen", erinnert er sich und fand gemeinsam mit seinem Heimatbischof Karl Kardinal Lehmann eine Lösung: "Er schickte mich mit knapp 60 in Rente und sagte mir, dann könne ich meinen Wohnsitz ja frei wählen", erzählt er mit einem Augenzwinkern. Und so blieb Schroedel als Seelsorger für die deutschsprachige Gemeinde in Kairo.

Heute ist er nicht mehr offiziell von der Deutschen Bischofskonferenz entsandt, was auch bedeutet, dass er keine finanzielle Unterstützung mehr aus Deutschland bekommt, sondern für seine Gemeinde auf Spenden angewiesen ist. Trotzdem macht er weiter. Ägypten ist seine zweite Heimat geworden und solange es seine Gesundheit und die politische Lage zulassen, will er dort bleiben. Was ihn am meisten geprägt hat in mehr als 20 Jahren in Ägypten? "Die Araber sagen oft: ‚Inschallah‘ – ‚So Gott will‘ oder ‚Rabinna maugud‘ – ‚Gott ist da‘", sagt er. "Für sie liegt vieles in der Hand Gottes. Sowohl für Muslime als auch für Christen. Und dieses Gottvertrauen der Menschen gefällt mir und prägt auch mich mittlerweile. Ich habe so viele gute Erfahrungen gemacht, dass Gott es schon richten wird. Dass er uns beschützt und dass er uns Kraft und Freude gibt. "

Wenn man den Monsignore fragt, was er so fern der Heimat vermisst, muss er lange nachdenken: "Kälte und Regen", sagt er, das gebe es einfach viel zu selten im Nahen Osten. Und auf noch etwas freut er sich bei jedem Heimatbesuch: "Rheinischen Sauerbraten!", sagt er und lacht.


Quelle:
DR