Moraltheologe Daniel Bogner fordert eine Wende der katholischen Kirche in ihrer Einstellung zu Homosexuellen.
Kirche müsse Vorkämpferin für Vielfalt werden
Es dürfe nicht länger sein, dass Personen aufgrund bestimmter Persönlichkeitsmerkmale einfach ausgeschlossen werden, sagte Bogner dem Portal kath.ch (Samstag). Auch aus theologischen Gründen müsse die Kirche Vorkämpferin für Vielfalt werden und queere Menschen als Bereicherung anerkennen, weil sie "den Sinn für die Größe von Gottes Schöpfungswerk" sichtbar machten.
Mit dem englischen Wort queer bezeichnen sich Menschen, die nicht heterosexuell sind oder deren geschlechtliche Identität nicht mit gesellschaftlichen Rollenbildern übereinstimmt. Unter ihnen sind Personen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung die wohl größte Gruppe.
Für die Kirche sei es zentral, sich stärker mit dem Thema auseinanderzusetzen, betonte der Professor für Moraltheologie und Ethik an der Universität Freiburg (Schweiz). Nicht zuletzt die Sexualwissenschaft stelle "einen schematischen Umgang mit der Zweigeschlechtlichkeit" in Frage, wie ihn die Kirche weiter vertrete.
"Dramatischer theologischer Fehler"
Die auch von vielen Bischöfen vertretene Maxime, man müsse "den Sünder lieben, aber nicht die Sünde", kritisierte Bogner als problematisch und als "dramatischen theologischen Fehler". Eine solche Sichtweise spalte den Menschen und unterscheide den "Menschen an sich" und dessen Sexualität als wesentliche Dimension, in der sich Menschsein äußere.
"Für queere Personen kann sich das nur zynisch anhören", fügte Bogner hinzu. Solange solche Wertungen auch in der offiziellen katholischen Lehre bestehen blieben, werde sich die Kirche schwer tun, Nicht-Heterosexuelle glaubwürdig zu erreichen: "Das sollte sie aber wollen."
"Menschen in ihrer Vielfalt aus Liebe geschaffen"
Viele erlebten in der Kirche, dass sie sich "verbiegen und zu Unrecht für etwas schämen" müssten, ergänzte der Theologe: "Das widerspricht fundamental der Botschaft des Evangeliums." Die biblische Botschaft von einem Gott, der "Menschen in ihrer Vielfalt aus Liebe geschaffen" habe, sei "kraftvoller als alles, was die religiösen Institutionen daraus gemacht haben".
Bogner räumte ein, dass die Kirche "in punkto queerer Realität noch ganz am Anfang" stehe. Das zeigten etwa die massiven ablehnenden Reaktionen aus vielen Ländern auf die päpstliche Erklärung "Fiducia supplicans" und deren vorsichtige Öffnung im Blick auf einen möglichen Segen für homosexuelle Paarbeziehungen.