domradio.de: Um 1990 lagen die Urnenbeisetzungen bei etwa 20 Prozent, nun nach Schätzungen – genaue bundesweite Zahlen gibt es nicht – in manchen Regionen bei 70-80 Prozent gegenüber den Sargbestattungen. Was sagt das eigentlich aus?
Monsignore Markus Bosbach (Leiter der Hauptabteilung Seelsorge im Erzbistum Köln): Ich glaube, man kann darauf nicht eine einheitliche Antwort finden. Da stecken ganz viele verschiedene Gründe dahinter, die in der Summe dazu geführt haben, dass die Urnenbeisetzung in der Zahl so zugenommen haben. Ich glaube persönlich, dass die Sorge um die Pflege von Gräbern, ein wichtiges Argument ist. Ich glaube, auch der Preis von Bestattungen spielt heute für viele Menschen eine Rolle und natürlich sind die meisten anonymen Bestattungen auch immer Urnenbestattungen. Diese Zahl hat ja auch zugenommen.
domradio.de: In der Kirche waren Feuerbestattungen lange Zeit nicht möglich. Kirchliche Begräbnisse können mittlerweile auch Urnenbestattungen sein, aber in vielen pastoralen Richtlinien der Bistümer gilt das Erdbegräbnis als die vorrangige und bevorzugte Form, warum?
Bosbach: Das frühere Verbot hat sich begründet, aus einer vielleicht auch etwas falschen Vorstellung, dass bei der Auferstehung der Toten am letzten Tag sich der menschliche Auferstehungsleib sozusagen wie ein Puzzle wieder zusammensetzt aus seinen Einzelteilen. Da hat man gesagt, was verbrannt ist, was Asche geworden ist, kann sich doch nicht wieder zusammensetzen.
Heute kommt die Empfehlung zur Sargbestattung daher, dass wir sagen, es entspricht doch dem Menschen mehr, auch als Toter in seiner Ganzheit von Körper und der sichtbaren Hülle beigesetzt zu werden und nicht sozusagen durch das Feuer, ja, wenn sie so wollen auch ein Stück weit vernichtet zu werden. Es ist noch einmal etwas anderes, wenn ein menschlicher Leichnam verwest, aber doch in seiner Gänze da ist als wenn er verbrennt. Mir wird das immer deutlich am Friedhof, wenn ich dort eine Beerdigung leite. Es ist ein ganz anderes Gefühl, einen ganzen Menschen vor mir zu haben - zwar in einem Sarg - aber zu wissen, da wird jetzt wirklich ein Mensch beerdigt, da müssen wir wirklich Abschied nehmen. Auf der anderen Seite eine Urne, wo schon eine große Portion Entfremdung zu dem Menschen, dessen Asche nun da drin ist, gekommen ist.
Dazu kommt auch ganz praktisch aus meiner Erfahrung, oft der größere zeitliche Abstand zwischen Tod, Verabschiedung und Beisetzung. In der Trauer hilft nach meiner Erfahrung, wenn zwischen dem Tod eines Menschen und dann dem Abschied auf dem Friedhof nicht all zu viel Zeit vergeht.
domradio.de: Um noch einmal auf den Wiederauferstehungsglauben zu kommen, Sie sagen, da gab es früher eine andere Vorstellung - der Auferstehungsglaube wird also nicht berührt von den verschiedenen Arten der Bestattung?
Bosbach: Ich glaube schon, dass er berührt wird. Es ist für mich persönlich schwerer, mir vorzustellen, zu glauben, dass ein Mensch am Ende der Welt mit Leib und Seele bei Gott ist, wenn ich den Leib eben auch durch das Feuer zerstöre. Das ist aber eine Schwierigkeit, die bei mir, beim Menschen liegt. Sie sagt aber nichts darüber aus, dass jetzt der, der verbrannt worden ist, anders oder gar nicht zu Gott käme. Das wäre wirklich ein Rückfall in mittelalterliche Vorstellungen.
Es geht immer um den Menschen, der zurückbleibt. Was hilft ihm? Da glaube ich nach wie vor auch nach meiner langen Erfahrung als Seelsorger in der Gemeinde, dass das in der Form der Sargbestattung ein Stück leichter ist. Aber es ist auch eine Herausforderung für uns in der Seelsorge, in der Trauerpastoral auf diese veränderte Praxis einzugehen und in der Begleitung von Angehörigen und Verkündigung des Glaubens an die Auferstehung der Toten, dass in Hinblick auf den auszusagen, der jetzt kremiert, verbrannt wird.
domradio.de: Wie kann man sich eine Auferstehung des Leibes, von der die Kirche spricht, denn eigentlich vorstellen?
Bosbach: Ja, da wäre ich auch froh, wenn ich Ihnen jetzt eine ganz einfache Antwort geben kann. Uns begegnet in der Heiligen Schrift Jesus Christus als der Auferstandene. Er hat einen Körper, denn er tritt ja in Beziehung zu den Jüngern und doch erkennen sie ihn nicht sofort. Er ist also da in einer körperlichen Weise, aber er ist doch auch so ganz anders da. Das ist das einzige, was ich im Grunde über den sogenannten Auferstehungsleib, den ich als Mensch hoffentlich in der Ewigkeit einmal haben werde, sagen kann, dass ich auch in Beziehung treten kann mit anderen, dass ich eben wieder ganz Mensch bin und nicht nur ein Teil von mir, sondern ganz. Aber wie das jetzt konkret funktioniert, da kann ich auch keine Antwort drauf geben.
Das Interview führte Martin Korden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Weder domradio.de noch das Erzbistum Köln machen sich Äußerungen der Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen zu eigen.