Trotz aller Kriege in der Welt ist es nach den Worten des Münchner Kardinals Reinhard Marx wichtig, Hoffnungsträger zu haben. Weihnachten verkünde den Frieden nicht als eine Tatsache, sondern als große Hoffnung, sagte der Erzbischof von München und Freising dem "Münchner Merkur": "Wir brauchen starke Kräfte, um zu sagen: Der Krieg ist nicht das Ende, er wird nicht das letzte Wort behalten". Hoffnung bedeute demnach: "Ich finde mich nicht ab mit der Welt, wie sie ist, ich glaube, da ist mehr möglich! Wie wollten wir ohne eine solche Hoffnung leben? Wir würden den Kriegstreibern Recht geben."
Mit Blick auf den bald drei Jahre währenden Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine erklärte Marx, dieser könne nur durch Verhandlungen zu einem vorläufigen Waffenstillstand und dann vielleicht in einen Frieden überführt werden. Dafür sei es allerhöchste Zeit. Zugleich gab er zu bedenken: "Das kann bitter werden, denn: Da raubt einer einfach Land, begeht brutales Unrecht - und wir müssen das dennoch hinnehmen? Das ist schon jetzt kaum zu ertragende Realität."
Religionen oft Teil des Problems
Angesprochen auf die ungute Rolle der russisch-orthodoxen Kirche als Kriegstreiber, erklärte der Kardinal: "Religionen sind zu meiner großen Enttäuschung oft keine Kräfte, die Brücken bauen, zusammenführen, mäßigen. Das betrifft auch das Heilige Land." Religionen blieben im Narrativ ihrer jeweiligen Gruppen und schafften es nicht, eine andere Dimension ins Politische einzubringen. So würden sie dann Teil des Problems und nicht Teil der Lösung. "Das ist manchmal zum Verzweifeln."
Papst Johannes Paul II. habe beim Weltfriedenstreffen 1986 in Assisi deutlich gemacht, dass es keinen Weltfrieden ohne Religionsfrieden gebe, erinnerte Marx. Damals habe man gemeint, im Kern seien alle Religionen letztlich auf Frieden ausgerichtet. "Das sieht heute nicht so aus." Für die gespaltene Orthodoxie werde das im Ukraine-Krieg besonders deutlich. Im Heiligen Land wiederum schafften es Juden, Christen und Muslimen nicht, gemeinsam, Zeichen des Friedens zu setzen. "Dabei müssen doch irgendwann wieder alle miteinander leben: Ukrainer und Russen, Palästinenser und Israelis."
Grundvertrauen in Menschen da
Dennoch blickt Marx nach eigenen Worten optimistisch aufs neue Jahr. So gebe es das wunderbare Wort von Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI.: "Wenn Gott Mensch geworden ist, dann ist es gut, ein Mensch zu sein." Sein Grundvertrauen in den Menschen habe sich nicht verändert, sagte der Kardinal. "Dass wir immer wieder in törichte Irrwege hineinlaufen, will ich nicht ausschließen. Aber wir sehen auch, was an Gutem möglich ist, was Menschen leisten. Das ist schon faszinierend."