Caritas beteiligt sich an Magdeburger Menschenkette

Gedenkveranstaltung neben AfD-Demonstration

Kurz vor Weihnachten hat der Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt Menschen auf der ganzen Welt erschüttert. Als Zeichen der Hoffnung und Solidarität haben die Bürger der Stadt am Montagabend eine Menschenkette gebildet.

Menschenkette zum Gedenken an die Opfer und Betroffenen des Anschlags auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt. / © Sebastian Willnow (dpa)
Menschenkette zum Gedenken an die Opfer und Betroffenen des Anschlags auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt. / © Sebastian Willnow ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie diese Menschen und Lichterkette wahrgenommen? Das Zeichen, das von ihr ausging, während zeitgleich die AfD zu einer Kundgebung mit Trauermarsch aufgerufen hatte? 

Thoms Keitzl (Caritas-Direktor der Diözese Magdeburg): Das war ein sehr besonderes Zeichen, abends in der Dunkelheit alle Menschen mit Kerzen in der Hand. Die Kerzen waren eigentlich für das große Weihnachtssingen gedacht, das regelmäßig im Stadion in Magdeburg stattfindet. Aber das Konzert ist abgesagt worden, dann wurden die Kerzen vom Veranstalter für diese Lichterkette gespendet. Es war eine sehr ruhige Stimmung, natürlich eine betroffene Stimmung. Aber es war auch ganz bewusst ruhig. Es gab kein großes Rahmenprogramm drumherum. Die Menschen standen einfach nebeneinander, bildeten diese Lichterkette und sprachen miteinander. Es war ganz bewusst ein ruhiges Zeichen. 

DOMRADIO.DE: Und nebenan die AfD-Kundgebung mit Trauermarsch. Ist man sich da irgendwie in die Quere gekommen? 

Keitzl: Von der Lichterkette aus hatten wir keinen Kontakt zur Demonstration der AfD. Zwischen uns lagen 500 oder 600 Meter. Zwischen dem Domplatz und dem Altmarkt. Die beiden Gruppen sind sich nicht begegnet.

Thomas Keitzl

"Ich habe es jetzt schon öfter erlebt, dass Applaus brandete, wenn sie an den Menschen vorbeigegangen sind, als Dank."

DOMRADIO.DE: "Lichter für eine weltoffene Stadt", so hat es ein Veranstalter am Abend auf den Punkt gebracht. Man sei zum Trauern und Gedenken zusammengekommen. Sie haben sich ja auch mit den Menschen unterhalten. Was haben Ihnen die Menschen gesagt?

Keitzl: Die Menschen haben immer wieder gesagt, dass sie Weihnachten gerade jetzt feiern wollen. Das Fest an dem Christus geboren worden ist, als Friedensfürst, dass wir diese Botschaft jetzt weitertragen sollten. Das ist in einer Stadt wie Magdeburg, in der nur wenige Katholiken und evangelisch Gläubige leben, eine Herausforderung. Es war aber auch eine große Dankbarkeit gegenüber den Menschen, die geholfen haben, zu spüren, die in den ersten Momenten da waren. 

Die Einsatzkräfte sind ja gut an ihren Uniformen zu erkennen. Ich habe es jetzt schon öfter erlebt, dass Applaus brandete, wenn sie an den Menschen vorbeigegangen sind, als Dank. Der wird den Menschen hier immer wieder zum Ausdruck gebracht. 

DOMRADIO.DE: Die Menschen in Magdeburg stehen zusammen. Das ist natürlich ein gutes Zeichen. Woraus schöpfen die Menschen in der Stadt jetzt Hoffnung? 

Keitzl: Ich glaube, aus diesen Erfahrungen, diesem Miteinander, das wir in dieser Situation erleben. Es ist egal, wer neben einem stand, wer geholfen hat, unabhängig von Herkunft und Religion wurde einem geholfen, unabhängig von Herkunft und Religion kann man sich an den verschiedenen Stellen austauschen und seine Trauer gemeinsam zum Ausdruck bringen. Im Gedenkgottesdienst waren viele Religionen. Viele verschiedene, ganz einfach nebeneinander.

Thomas Keitzl

"Es kommt eine bedrückende Stimmung, wenn ich sehe, wie die Wahrheit verdreht wird."

DOMRADIO.DE: Bei der AfD-Kundgebung gab es laute Abschiebe-Parolen. Der Attentäter soll aber ein AfD-Sympathisant gewesen sein. Das passt nicht zusammen. Wie haben Sie diesen Aufmarsch der AfD erlebt? 

Keitzl: Ich konnte ihn ja nicht sehen in der Menschenkette. Ich habe auch nur die Berichte in der Presse gehört. Es kommt eine bedrückende Stimmung, wenn ich sehe, wie die Wahrheit verdreht wird, sodass es der eigenen Ideologie nützt. Dinge, die offensichtlich erscheinen, treten dann in den Hintergrund. Es macht mich betroffen, dass das so ist, und dass sich diese Wahrheitsverdrehung bei den Menschen dann verfängt.

DOMRADIO.DE: Gingen Sie nach diesem Attentat mit einem mulmigen Gefühl in die Öffentlichkeit? 

Keitzl: Auf dem Weg zum Gedenkgottesdienst weniger. Auf dem Weg nach Hause war ich dann aber das erste Mal in der Situation. Es war ein sehr beklemmendes Gefühl, dass direkt neben dem Gedenkgottesdienst, wirklich parallel dazu, Rechte demonstriert haben, wo es dann auch ein massives Polizeiaufgebot gab. 

Das Interview führte Carsten Döpp.

Menschen tragen Transparente mit der Aufschrift "Junge Alternative" und "Wehrt euch endlich" bei einer Veranstaltung der AfD vor dem Dom in Magdeburg. / © Ebrahim Noroozi (dpa)
Menschen tragen Transparente mit der Aufschrift "Junge Alternative" und "Wehrt euch endlich" bei einer Veranstaltung der AfD vor dem Dom in Magdeburg. / © Ebrahim Noroozi ( dpa )
Quelle:
DR