Unter den deutschen Bischöfen gehört Felix Genn zu den alten Hasen. Seit 16 Jahren leitet er die Diözese Münster, davor sechs Jahre lang das Nachbarbistum Essen. Hinzu kommen vier Jahre als Trierer Weihbischof.
Die Erfahrung in drei Diözesen trug dazu bei, dass er immer wieder als Mittler in kirchlichen Flügelkämpfen angefragt wurde. Der Eifler Bauernsohn, der in Wassenach nahe der Benediktinerabtei Maria Laach aufwuchs, wird am 6. März 75 Jahre alt.
So Papst Franziskus dies kann, wird er dann wohl auch Genns Rücktritt annehmen. Genn hatte mit zwei, wie er sagt, "kräftezehrenden Herausforderungen" der Kirche in Deutschland zu tun: Im Ruhrbistum Essen vor allem mit Geldmangel und zunehmend weniger genutzten Immobilien.
So legte er gegen teils heftigen Widerspruch 259 Gemeinden zu 43 Pfarreien zusammen und ließ Kirchen umnutzen. Auch im traditionsreichen Bistum Münster setzte er Strukturreformen durch.
Missbrauch größte Herausforderung
Vor allem aber hatte er dort mit dem Missbrauchsskandal zu tun. Genn bat um Entschuldigung für Fehler im Umgang mit Fällen in Münster wie in Essen.
Bei der Vorstellung einer Missbrauchsstudie im Bistum Münster im Sommer 2022 versprach er zudem eine transparente Form, wie Mitarbeitende und andere Gläubige, die mit Entscheidungen des Bischofs und seiner Behörde hadern, diese infrage stellen und verhandeln können. Kurz vor seinem Ruhestand setzte er dazu Anfang März einen Schlichtungsrat und eine Disziplinarordnung für Kleriker ein.
Das liegt auch auf der Linie der katholischen Reformdebatte in Deutschland, des Synodalen Wegs. Dort wurde Genns verbindende Rolle besonders deutlich. Er gehört der Mehrheit der Bischöfe an, die keine Alternative sieht zur Diskussion über Kirchenstrukturen, die Missbrauchstaten ermöglichten.

Aber mit Blick auf die Minderheit, die Kirchenlehre und Zölibatspflicht erhalten will, mahnte Genn die Kunst des aufmerksamen und wohlwollenden Hörens an. Er ist begeisterter Anhänger des von Papst Franziskus proklamierten synodalen Umgangsstils in der Kirche.
Gleichzeitig wurmt es ihn, dass der Zölibat, "das Geheimnis meines Lebens mit Jesus", ständig unter Beschuss ist. Andererseits zeigte Genn sich schon früh beim Synodalen Weg vorsichtig aufgeschlossen für ein mögliches Nebeneinander eheloser und verheirateter Priester.
Behauptungen, er habe im Lauf der Jahre seine Haltung geändert, lassen den Bischof schmunzeln. "Ich denke, dass ich bei meinen Grundauffassungen geblieben bin, und versuche, mich Fragestellungen differenziert zu stellen", sagte er unlängst im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Kirchliche Lehre und gelebte Praxis von Menschen müssten miteinander verbunden werden, mancher Dissens dabei ausgehalten werden - ohne Menschen zu verurteilen.
Genns ausgleichende Ader ist auch im Vatikan bekannt. Rom ist für ihn regelmäßiges Reiseziel. Als Mitglied der vatikanischen Bischofsbehörde wählt Genn, der jahrelang in der Priesterausbildung tätig war, neue Oberhirten mit aus. Leider gebe es viele Absagen, so Genn.
Das Bischofsamt habe "etwas Überforderndes". Im Ruhestand wolle er bei einem päpstlichen Reformprojekt mitarbeiten, das darauf abzielt, mehr Menschen an der Suche nach kirchlichen Führungskräften zu beteiligen.
Mit jungen Menschen reden
Ein besonderes Anliegen ist es Genn, mit jungen Menschen über den Glauben zu reden. Der Bischof, der früher Christliche Spiritualität lehrte, lud immer wieder zu Jugendkatechesen ein. Derartige Begegnungen zählten für ihn zu den schönsten Erlebnissen. Zur Verkündigung gehören für ihn aber auch deutliche Worte zu gesellschaftlichen sozialen Themen.

"Suche Frieden" lautete das nach wie vor aktuelle Motto des Katholikentags 2018 in Münster. Aus Sorge um die Zukunft Deutschlands startete er zu Beginn dieses Jahres eine Demokratiekampagne. "Wir müssen auf der Hut sein", warnt er. In all den Bischofsjahren hat Genn sich eine Leidenschaft bewahrt.
Für Gäste öffnet er gerne eine Flasche Wein aus seinem alten Wirkungsgebiet an der Mosel. Und am Abend seines erwarteten Rücktritts dürfe es gerne eine Auslese sein, "die ein beträchtliches Datum hätte".