Muslime sorgen sich wegen Islamfeindlichkeit

"Eine Art Pogrom-Stimmung"

Die Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern von Pro NRW und Salafisten in Bonn haben am Wochenende bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Im domradio.de-Interview verurteilt Nurhan Soykan, Generalsekretärin des Zentralrats der Muslime, die Gewalt – und kündigt an, strafrechtlich gegen die rechtsextreme Partei vorzugehen.

 (DR)

domradio.de: Was erwarten Sie jetzt?

Soykan: Die Staatsanwaltschaft wird prüfen, ob der Anzeige nachgegangen wird. Entsprechend wird das Ermittlungsverfahren eingeleitet und Klage erhoben - oder eingestellt. Wir hoffen aber, dass man - auch mit Blick auf die jüngsten Ereignisse in Bonn - die Wichtigkeit dieser Maßnahmen erkennt. Wir erwarten ein Durchgreifen von Polizei und Staatsanwaltschaft.



domradio.de: Wie wirkt sich denn so eine Aktion von Pro NRW auf ganz normale Moschee-Besucher aus?

Soykan: Es empört uns alle, es macht uns sehr traurig. Sie können es sich nicht vorstellen, wie schwer es Eltern fällt, ihren Kindern zu erklären, was diese durchgestrichenen Moscheen zu bedeuten haben. Und was diese Aufläufe vor den Moscheen zu bedeuten haben, warum diese Menschen die Muslime hassen. Das ist wirklich eine Art Pogrom-Stimmung. Für uns ist das eine Situation, mit der wir emotional nur sehr schwierig fertigwerden.



domradio.de: Welche langfristigen Folgen befürchten Sie?

Soykan: Wir befürchten, dass sich die Muslime alleine gelassen fühlen, dass sie diesen Hass nicht mehr hinnehmen wollen - und stärker dazu neigen, Aufrufen zur Gewalt zu folgen. Das aber ist absolut nicht in unserem Sinne! Wir haben alles uns Mögliche unternommen, zu zeigen, dass wir Muslime ein friedliebender Teil der Bevölkerung sind und zu unserem Staat und zu unserer Gesellschaft stehen. Wir setzen dabei auf demokratische Mittel - und sind gegen Gewalt und Hassparolen, egal von welcher Seite.



domradio.de: In Bonn zum Beispiel demonstrierten rund 30 Mitglieder von Pro NRW. Glauben Sie denn, dass die wirklich so einen großen Einfluss auf andere deutsche Mitbürger haben?

Soykan: Es bleibt nicht nur bei diesen 30 Personen. Diese Demonstrationen werden vor vielen Moscheen abgehalten. Außerdem muss man diese Aktionen im Zusammenhang sehen: die Plakate, die Aufrufe, die Beschimpfungen. Das darf man nicht mehr hinnehmen. Denn das senkt auch die Hemmschwelle bei anderen Bürgern, selber rassistische Übergriffe vorzunehmen. Und das halten wir für sehr alarmierend.



domradio.de: Radikale Salafisten sind bei der Gegendemonstration auf Polizisten losgegangen, 29 Polizisten wurden dabei verletzt, zwei mit Messerstichen sogar schwer. Wie stehen Sie dazu?

Soykan: Die Ausschreitungen haben uns sehr empört, und wir wollen uns von diesen Personen distanzieren. Das alles hat uns sehr traurig gemacht. Wir wünschen diesen Polizisten eine schnelle Genesung.  



Hintergrund: Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) wies die Polizeibehörden nach den Ausschreitungen in Bonn an, Pro NRW das Zeigen der Karikaturen bei ähnlichen Auftritten zu verbieten. Dieses Verbot sollte bereits für die Kundgebungen in Bielefeld und Münster gelten. Das Verwaltungsgericht Minden hob das polizeiliche Verbot für Bielefeld jedoch am Montag kurz vor der Veranstaltung wieder auf.



Das Gespräch führte Monika Weiß.