Mutmaßliche Totenschändigung in Afghanistan - Täter sind identifiziert

"Ein Gläubiger hätte so etwas nicht getan"

Sechs der an der mutmaßlichen Totenschändung in Afghanistan beteiligten Bundeswehrsoldaten sind bereits ermittelt worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Taten als "schockierend und abscheulich" bezeichnet. Das Verhalten dieser Soldaten sei "verwerflich und durch nichts zu entschuldigen".

 (DR)

Sechs der an der mutmaßlichen Totenschändung in Afghanistan beteiligten Bundeswehrsoldaten sind bereits ermittelt worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Taten als "schockierend und abscheulich" bezeichnet. Das Verhalten dieser Soldaten sei "verwerflich und durch nichts zu entschuldigen". - Der Schweizer Militärpsychologe Hubert Annen zeigte im domradio-Interview Verständnis für das mögliche Verhalten der Soldaten. Man müsse die Vorkomnisse aus dem militärischen Zusammenhang heraus beurteilen. - Der katholische Militärbischof Walter Mixa hat "mit Entsetzen und Abscheu" reagiert und sich zugleich gegen vorschnelle Verurteilungen gewandt.

Mixa: Das ethische Bewusstsein stärken
Es gelte zunächst, die Vorfälle restlos aufzuklären, sagte Mixa bei der Gesamtkonferenz der hauptamtlichen Militärseelsorger am Mittwoch in Freising bei München. Der Bischof betonte, der Vorgang mache deutlich, wie unverzichtbar die Sensibilisierung und Stärkung des ethischen Bewusstseins der Soldaten sei. Er forderte, die Militärseelsorger müssten in ihrem "Lebenskundlichen Unterricht" und in der Einsatzvorbereitung noch intensiver auf die sittliche Verantwortung des Soldatenberufs eingehen. Ausdrücklich verwies er auf die Bedeutung der Inneren Führung in der Bundeswehr. Als möglichen Grund nennt Mixa auch fehlende Gottesfurcht. Ein Gläubiger hätte so etwas nicht getan, sagte er. Der Bischof forderte von der Bundeswehr, den Vorfall "restlos" aufzuklären. In Zukunft müssten die Militärseelsorger noch mehr auf die ethische und sittliche Verantwortung der Soldaten eingehen. Der Vorfall sei aber eine "absolute Ausnahme".

Bischof Huber verurteilt Leichenschändung
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, verurteilte die Handlungen. Diese seien aber keine unausweichliche Folge von Auslandseinsätzen, sondern „erschütternde Begleiterscheinungen". Huber sprach sich für die Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan aus, mahnte aber grundsätzliche Kriterien friedenspolitischer und friedensethischer Verantwortung an.

Friedensbewegung zieht Parallelen zu Abu Ghoreib
Auch in der Friedensbewegung wurden die Bilder mit Empörung aufgenommen. Die Vorgänge erinnerten in fataler Weise an „ähnliche Untaten der US-Armee im Irak", erklärte Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag in Kassel. Mit der Transformation der Bundeswehr in eine „Armee im Einsatz" sei ein neuer „Geist" in die Truppe eingezogen. Die Friedensorganisation bekräftigte ihre Forderung, den deutschen Einsatz in Afghanistan zu beenden.

„Solche Leute können wir in unserer Armee nicht brauchen"
Nach dem Zeitungsbericht über die offenbare Schändung eines Toten durch Bundeswehrsoldaten in Afghanistan fordert der Bundeswehrverband eine schnelle Aufklärung. Die Bilder seien "absolut abstoßend und ekelerregend", sagte der Verbandsvorsitzende Bernhard Gertz am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin".

Die notwendigen strafrechtlichen und disziplinarrechtlichen Konsequenzen müssten ergriffen werden. „Solche Leute können wir in unserer Armee nicht brauchen", sagte er. Zudem müsse konkret geprüft werden, wie es passieren könne, dass trotz guter Ausbildung und Dienstaufsicht solche „Entartungen und Entgleisungen" vorkommen.

Versäumnisse einzelner Soldaten?
Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold nannte die Vorgänge in derselben Sendung „absolut unappetitlich und auch inakzeptabel". Er gehe davon aus, dass es sich um Versäumnisse einzelner Soldaten handele und möglicherweise auch „die Führungsaufgaben nicht richtig wahrgenommen wurden bei den örtlichen Verantwortlichen". Schlechter Geschmack sei zwar nicht strafbar, verletze aber das Ansehen der Bundeswehr in hohem Maße. Deshalb müsse disziplinarrechtlich mit aller Konsequenz gegen solche Soldaten vorgegangen werden.

Grüne fordern Konsequenzen
Die Grünen fordern Konsequenzen für die betreffenden Bundeswehrangehörigen. Ein solches Verhalten sei „aufs Strengste zu verurteilen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, am Mittwoch in Berlin. Solche Respektlosigkeit vor anderen Menschen könne auch den Einsatz in dem Land gefährden, warnte er. Zugleich bekräftigte Beck die skeptische Haltung seiner Fraktion zu einer Verlängerung der deutschen Beteiligung an der Anti-Terror-Mission „Enduring Freedom" in Afghanistan.

Militärdekan: Seelsorger stehen beschuldigten Soldaten bei
Militärseelsorger sind nach den Worten des evangelischen leitenden Militärdekans Ulrich Brates bereit, beschuldigten Soldaten beizustehen. Die deutschen Soldaten, die der Leichenschändung in Afghanistan verdächtigt würden, stünden unter gewaltigem psychischen, disziplinar- und strafrechtlichen Druck, sagte Brates am Mittwoch in Mainz dem epd. Soldaten in einer Krisenregion befänden sich in einer Ausnahmesituation.

Menschen handelten in Ausnahmesituationen manchmal anders als im Alltag, unabhängig davon, ob sie Soldaten oder Zivilpersonen seien, sagte Brates. Die Militärseelsorger behandelten im ethischen Unterricht intensiv die Fragen nach Tod und Sterben sowie den Umgang mit fremden Kulturen. Aber der Einfluss der Seelsorger sei begrenzt.


Bilder schon drei Jahre alt
Die „Bild"-Zeitung hatte berichtet, ihr seien mehrere Fotos zugespielt worden, die den schockierenden Vorfall dokumentieren. Die Aufnahmen seien nach Aussage eines Bundeswehr-Angehörigen bereits im Frühjahr 2003 entstanden. Eines der fünf Fotos, die das Blatt veröffentlicht, zeige einen deutschen Soldaten, der mit der rechten Hand stolz einen Totenschädel hochhalte.