Bundeswehreinsatz in Afghanistan - Militärbischof sieht Grenze erreicht

Kein Rückzug vom Hindukusch

Der ISAF-Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan wird um ein weiteres Jahr verlängert. Einem entsprechenden Antrag der Bundesregierung stimmte der Bundestag am Donnerstag in Berlin mit großer Mehrheit zu. Für die Vorlage votierten 492 Abgeordnete. 71 stimmten dagegen, 9 enthielten sich.

 (DR)

Der ISAF-Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan wird um ein weiteres Jahr verlängert. Einem entsprechenden Antrag der Bundesregierung stimmte der Bundestag am Donnerstag in Berlin mit großer Mehrheit zu. Für die Vorlage votierten 492 Abgeordnete. 71 stimmten dagegen, 9 enthielten sich. Hören Sie Professor Dr. Michael Brozska, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, im domradio-Interview über einen immer gefährlicher werdenden Einsatz. Militärbischof Mixa glaubt, bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr sei "eine Grenze erreicht, die kaum mehr sinnvoll überschritten werden" könne.

Gegner in der Minderzahl
Das am 13. Oktober auslaufende Mandat wird bis Mitte Oktober 2007 verlängert, bleibt aber ansonsten unverändert.
Auch das Gesamtkontingent beläuft sich weiterhin auf bis zu 3000 Bundeswehr-Angehörige. Die einsatzbedingten Zusatzausgaben für die einjährige Fortsetzung der deutschen Beteiligung an ISAF werden auf rund 460 Millionen Euro beziffert.

In der Union hatte sich Widerstand gegen eine Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan geregt. Vor der namentlichen Abstimmung im Parlament forderte u.a. der CSU-Politiker Peter Gauweiler den Abzug der deutschen Streitkräfte aus der Krisenregion. Der Einsatz sei fehlgeschlagen und zu riskant: "Es ist überhaupt nicht klar, vor welchen Aufgaben die Bundeswehr tatsächlich steht", so Gauweiler. Die Situation könne jederzeit eskalieren. Die Bundesregierung hatte dem Parlament einen Antrag vorgelegt, in dem sie die Zustimmung des Bundestages für eine Fortsetzung bis zum 13. Oktober 2007 fordert.

Auch Ex-Staatssekretär Wimmer will im Bundestag gegen die Verlängerung des Mandats stimmen. „Es kann nicht darum gehen, ein Mandat nur deshalb zu verlängern, weil man es schon ein paar Mal verlängert hat", sagte er. Die Erwartungen, die sich seit der ersten Petersberg-Konferenz an Afghanistan gerichtet hätten, seien enttäuscht worden. Die Sicherheitslage habe sich vor allem im Süden dramatisch verschlechtert.

Jung fordert neue NATO-Strategie
Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) fordert angesichts der „verschärften" Sicherheitslage in Afghanistan eine neue NATO-Strategie. Es müsse Sicherheit geschaffen, aber auch der Wiederaufbau gewährleistet werden, betonte Jung am Donnerstag im ZDF-"Morgenmagazin". Mit diesem Vorgehen stoße die Bundeswehr im Norden des Landes auf Zustimmung, die Strategie der NATO müsse „insgesamt in diese Richtung geändert werden".

Italien und Großbritannien würden der deutschen Position nach anfänglicher Skepsis mittlerweile zustimmen, und er sei „überzeugt", dass auch die USA den Prozess so fortentwickeln, sagte Jung vor der Entscheidung des Bundestags über die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes. Jung sollte noch am Donnerstag zur NATO-Verteidigungsministerkonferenz abreisen.

Dort sollte am Abend über eine Ausdehnung des NATO-Einsatzes in die Osthälfte Afghanistans entschieden werden. Dies störe natürlich einige Kreise im Land, insbesondere Drogenbarone, die darauf mit neuen Terroraktionen reagierten, sagte Jung. Die Bevölkerung sei eines der größten Schutzschilder der Soldaten. Daher müsse klar werden, dass die Soldaten nicht Besatzer, sondern Wiederaufbauhelfer seien. Dies sei in der Vergangenheit „teilweise anders" erfolgt und habe zu Enttäuschung in der Bevölkerung geführt.

Gertz warnt vor Scheitern der Mission
Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, Bernhard Gertz, mahnt eine dringende Überprüfung des internationalen Afghanistan-Einsatzes an. Derzeit herrsche eine „ganz schwierige" Situation in dem Land, sagte Gertz am Donnerstag im ZDF-"Morgenmagazin". Wenn die Staatengemeinschaft dort „so weiter wurstelt", sei ein Scheitern der Mission nicht auszuschließen. Deshalb müsse nun eine Bestandsaufnahme geleistet und Schwachstellenanalysen des internationalen Einsatzes geliefert werden.

Einen Abzug der deutschen Truppe aus Afghanistan lehnte Gertz gleichwohl ab. Er hoffe nicht, dass es dazu komme. Allerdings beklagte er eine „deutliche Diskrepanz" zwischen den Aufgaben der unterschiedlichen an dem Einsatz beteiligten Gruppen. So stünden die Verbände im Süden des Landes im Krieg mit dem Terrorismus, während es in ruhigeren Regionen um die Stabilisierung des Landes gehe. Dies zeige, dass die jeweiligen Konzepte der beteiligten Länder nicht wirklich zusammenpassten.

Die Forderungen der Briten, alle an der Mission beteiligten Nationen sollten das gleiche Risiko tragen, bezeichnete Gertz als „ausgesprochenen Quatsch". Die deutschen Soldaten seien für den Wiederaufbau des Landes ausgerüstet und ausgebildet worden. „Wir haben keine Kampftruppen", betonte der Oberst und fügte hinzu: „Deutschland kann seine Soldaten nicht einfach in den Süden schicken und sagen, nun kämpft mal, bitteschön."

Hintergrund: Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (ISAF)
Die deutschen Streitkräfte sind von Beginn an Teil der NATO-geführten internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan ISAF. Bis zu 3000 deutsche Soldaten sind in Afghanistan im Einsatz, um den Frieden zu sichern und den Wiederaufbau zu unterstützen.

Einsatz mehrfach verlängert
Der Bundestag stimmte 2001 erstmals der Friedensmission zu. 2003 wurde das Mandat der Vereinten Nationen über den Raum Kabul hinaus erweitert. Die Mehrheit der Abgeordneten billigte den erweiterten Einsatz und stimmte jährlich der Verlängerung um ein weiteres Jahr zu.

Begründung der Regierung zum Afghanistan-Antrag
Durch das Engagement der internationalen Gemeinschaft sei es gelungen, in Afghanistan eine auf demokratischen Grundsätzen basierende politische Ordnung zu etablieren, heißt es in der Begründung der Bundesregierung. Es seien die grundsätzlichen Rahmenbedingungen geschaffen worden, dass das Land nicht erneut zu einem sicheren Hafen für internationale Terroristen werde. (ddp,dr)