Die Polizei hat nach dem antisemitischen Anschlag in Halle in fast allen Bundesländern den Schutz von Synagogen und anderen jüdischen Einrichtungen verstärkt. Wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den Innenministerien der Länder ergab, wurde teilweise die Polizeipräsenz vor Synagogen erhöht. Die Gespräche mit jüdischen Gemeinden vor Ort wurden intensiviert. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, nannte den verstärkten Schutz jüdischer Einrichtungen "überfällig".
Baulich-technische Sicherheitsmaßnahmen für Synagogen und Gemeindehäuser sind laut epd-Umfrage zudem in vielen Bundesländern auf Aktualität und erforderliche Anpassungen überprüft worden. Alle Ministerien verwiesen jedoch darauf, dass sie aus polizeitaktischen Gründen keine konkreten Angaben über Art und Umfang der Schutzmaßnahmen machen könnten, etwa zur Zahl der Polizisten im Einsatz. Nach einer bundesweit einheitlichen Dienstvorschrift unterliegen alle Maßnahmen des Personen- und Objektschutzes der Geheimhaltung.
"Bitter gerächt"
In Sachsen-Anhalt, wo der Anschlag stattfand und Kritik laut wurde, dass die Synagoge in Halle nicht unter Polizeischutz stand, sind die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt worden. In den vergangenen Wochen hätten außerdem intensive Gespräche mit den jüdischen Gemeinden stattgefunden, hieß es. Zentralratspräsident Schuster reagierte erfreut auf den verstärkten Schutz jüdischer Einrichtungen, kritisierte den Schritt aber zugleich als verspätet. "In Halle hat sich der fehlende Polizeischutz an der Synagoge bitter gerächt", sagte Schuster dem epd. Für den Zentralrat ist laut Schuster künftig die Nachhaltigkeit der Maßnahmen und deren Finanzierung entscheidend. "Daher werden wir gemeinsam mit unseren Gemeinden in regelmäßigen Abständen überprüfen, wie es um den Schutz bestellt ist", sagte er. "Wo Nachbesserungen notwendig sind, werden wir das anmahnen."
Die Maßnahmen zum Schutz jüdischer Einrichtungen werden laut epd-Umfrage unter anderem in den Bundesländern in Berlin, Thüringen, Saarland, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg regelmäßig überprüft sowie aktualisiert. Ein Sprecher des saarländischen Innenministeriums betonte: "Im Saarland werden alle Anstrengungen unternommen, um jüdisches Leben weiterhin in Frieden und Sicherheit zu gewährleisten." Die Schutzmaßnahmen reichen beispielsweise in Berlin und NRW bis zu einem sichtbaren Schutz rund um die Uhr mit Polizisten vor Ort.
Neue Beurteilung der Sicherheitslage
Einem Bericht von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zufolge schützen Polizisten 29 jüdische Einrichtungen rund um die Uhr. Nach dem Anschlag in Halle hatte sein Ministerium die für die Schutzmaßnahmen zuständigen Kreispolizeibehörden beauftragt, die Gefährdung der jeweiligen Einrichtung neu zu beurteilen. Mindestens halbjährlich überprüfen die Beamten in NRW ihre Einschätzung zur Sicherheitslage und den Maßnahmen, wie es hieß. In Hessen haben die Regierungsfraktionen CDU und Grüne zudem angekündigt, die Mittel für den Schutz jüdischer Einrichtungen im Haushalt für das kommende Jahr um 5,5 Millionen Euro zu erhöhen. Auch in Niedersachsen will sich der Kultusminister für weitere Gelder einsetzen.
Bei dem Anschlag in Halle am 9. Oktober hatte ein schwer bewaffneter Mann zwei Menschen erschossen und auf der Flucht zwei weitere schwer verletzt. Der Täter hatte zuvor erfolglos versucht, in die Synagoge einzudringen. Der 27-Jährige handelte nach eigener Aussage aus antisemitischen und rechtsextremistischen Motiven. Nach Einschätzung der Behörden wollte er in der Synagoge ein Blutbad anrichten.