Streit um Sicherheit nach Anschlag auf Synagoge in Halle

"Fatale Fehleinschätzung der Sicherheitslage"

Die Sicherheitsbehörden Sachen-Anhalts stehen nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle in der Kritik. Der Innenminister das Landes wehrt sich gegen die Vorwürfe und spricht von einer "falschen Tatsachenbehauptung". 

Halle: Menschen legen an der Mauer der Synagoge Blumen und Kerzen nieder / © Hendrik Schmidt (dpa)
Halle: Menschen legen an der Mauer der Synagoge Blumen und Kerzen nieder / © Hendrik Schmidt ( dpa )

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, widerspricht dem Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht (CDU). Es sei "irritierend", dass Stahlknecht zu der Bewertung gelange, den ihm unterstehenden Sicherheitsbehörden seien im Zusammenhang mit dem Anschlag auf eine Synagoge in Halle keine Vorwürfe zu machen, sagte Schuster am Sonntag in Berlin.

"Bei einer derart unkritischen Bewertung muss man sich zwangsläufig die Frage stellen, ob die Bereitschaft besteht, aus begangenen Fehlern Lehren zu ziehen und strukturelle Änderungen bei den Sicherheitsbehörden vorzunehmen."

Innenminister: "Polizei hat sich nichts vorzuwerfen"

Zuvor hatte Stahlknecht seine Behörden gegen Kritik verteidigt. Die Beamten hätten "gute Arbeit" geleistet, sagte der Minister der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Samstag). Eine "unregelmäßige Bestreifung" der Synagoge in Halle habe der Gefährdungsbewertung des Bundeskriminalamtes entsprochen, an der das BKA auch unverändert festhalte. Die Polizei sei zudem Bitten der jüdischen Gemeinde um Schutz stets nachgekommen.

Der Aussage des Gemeindeleiters, dass dies nicht der Fall gewesen sei, widersprach Stahlknecht: "Bei der Bewertung hat sich die Polizei nichts vorzuwerfen." Man habe das "minutiös aufgearbeitet" und könne diese "falsche Tatsachenbehauptung" widerlegen. Dazu erklärte Schuster, die Aussage Stahlknechts sei "unzutreffend und verkehrt die Realität in der Vergangenheit".

Oberrabiner: "Meint es Deutschland ernst?"

Der Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt, forderte eine Überprüfung der Sicherheitskonzepte für jüdische Einrichtungen. Ihre Sicherheit müsse rund um die Uhr gewährleistet sein, schreibt er am Sonntag bei bild.de. Auch die Präventionsarbeit müsse verstärkt werden. "Nur wenn Deutschland es schafft, diesen aufkeimenden Hass auf Juden und auf andere Minderheiten wirksam zurückzudrängen, hat jüdisches Leben dort eine Zukunft."

Juden stellten sich derzeit die einfache Frage: "Meint es Deutschland mit dem Kampf gegen den Antisemitismus ernst?", erklärte Goldschmidt. Die Statistiken seien alarmierend. Aber, so der Oberrabbiner von Moskau: "Jetzt erst, viel zu spät, nehmen viele wahr, wie ernst die Lage ist, wie begründet die Sorgen sind." Nach 1990 hätten sich trotz des Holocaust mehr als 100.000 Juden in Deutschland niedergelassen. "Doch, man muss es so hart sagen: Das Land ist gerade dabei, diesen großen Vertrauensvorschuss zu verspielen."

Außenminister Heiko Maas (SPD) erklärte, der Schutz jüdischer Einrichtungen müsse verstärkt werden. Es sei schlimm, dass dies notwendig sei, sagte er im ARD-«Bericht aus Berlin». «Da hat sich was entwickelt in Deutschland und dem ist nicht genug Aufmerksamkeit entgegengebracht worden», kritisierte Maas. Sowohl der Staat als auch die Zivilgesellschaft müssten gegen Antisemitismus eintreten.

Auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hatte die Polizei kritisiert. Es sei eine "fatale Fehleinschätzung der Sicherheitslage" gewesen, dass die Synagoge in Halle an Jom Kippur nicht bewacht wurde, sagte Klein im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).


Quelle:
KNA