Nach gewalttätigen Protesten reden Regierung und Ureinwohner miteinander

Annäherung in Ecuador

Dutzende Polizisten in Kampfmontur umstellen den weißen Präsidentenpalast. Sie erwarten indianische Ureinwohner aus ganz Ecuador: Über 2.000, die tragen Holzspeere, Stirnbänder und Federschmuck tragen. Die Szenerie wirkt martialisch, doch im Palast kommt es zu einem bedeutsamen Treffen des Dialogs.

Autor/in:
Gerhard Dilger
 (DR)

Der linke Staatschef Rafael Correa empfing vor kurzem zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt Anfang 2007 rund 130 Vertreter der Indianerorganisationen Ecuadors zu einem offenen Gespräch. Damit hat der Austausch zwischen Regierung und Ureinwohnern begonnen. Zuvor war die Gewalt eskaliert.

Anfang Oktober kam es bei einer Straßensperrung in der Amazonasprovinz Morona Santiago zu einem blutigen Gefecht zwischen Demonstranten und Polizisten. Insgesamt 40 Menschen wurden verletzt, einer getötet: Der Lehrer Bosco Wizuma vom Volk der Shuar starb durch Schrotkugeln. Die Ureinwohner im Amazonasgebiet und in anderen Provinzen Ecuadors wollten durch die Blockade von Landstraßen mehr Mitspracherechte bei Öl- und Bergbauprojekten und bei Entscheidungen zu Wasserressourcen erreichen.

Correa beteuert, nicht privatisieren zu wollen
Die Indigenen machen in Ecuador rund ein Drittel der Bevölkerung aus und stellen seit den 90er Jahren den kämpferischsten Teil der Sozialbewegungen dar. Auch trugen sie maßgeblich zum Sturz von zwei Präsidenten bei und verhinderten ein Freihandelsabkommen mit den USA.

Um die jüngsten Proteste zu stoppen, lud Präsident Correa zum Treffen in den Palast. Ein Thema soll das geplante neue Wassergesetz sein. "Dadurch will die Regierung die Privatisierung ermöglichen, sagt Mario Yaucén Remachi aus der Andenprovinz Chimborazo. "Unsere traditionellen Wasser-Räte werden entmachtet." Er betont, dass wenige Großgrundbesitzer und Bananenfarmer einen Großteil des Wassers Ecuadors verbrauchen.

Correa beteuert hingegen, nicht privatisieren zu wollen. Vielmehr sei eine größere staatliche Kontrolle Ziel des Gesetzes. Meinungsdifferenzen gibt es auch zu geplanten Bergbau- und Erdöl-Initiativen: "Wir müssen unsere Ressourcen verantwortungsvoll nutzen", sagt der Präsident und setzt sich für die Projekte ein. Die Indianer sind dagegen, auch gegen Staudämme und ähnliche Projekte wie Wasserkraftwerke.

"Es war ein gespannter, hitziger Dialog"
Auf Kritik bei den Ureinwohnern stoßen zudem abwertende Äußerungen des Präsidenten. Er habe die Indianer wiederholt als "infantil" und "verrückt" bezeichnet, heißt es. Die prominente Aktivistin Blanca Chancoso meint über den links gerichteten Präsidenten: "Wie kann sich jemand selbst als Revolutionär bezeichnen, der dauernd sein eigenes Volk beschimpft?"

An diesem ersten Verhandlungstag in Quito wird die Stimmung auf dem Platz vor dem Präsidentenpalast entspannter. Die Verhandlungsführer haben sich auf eine Fortsetzung des Dialogs in Arbeitsgruppen geeinigt. Es soll etwa um eine zweisprachige Erziehung gehen, also um die Frage, ob Schüler neben Spanisch in der Schule auch eine Indigena-Sprache lernen. Auch die umstrittenen Bergbau- und Wassergesetze sollen neu verhandelt werden.

Nach Ansicht von Beobachtern ist dies ein Erfolg der Indianerbewegung. Das Entgegenkommen der Regierung bedeute einen Schwenk, meint etwa der Soziologe Franklin Ramírez. Humberto Cholango, der einflussreiche Chef der Anden-Indianer, gibt sich verhalten optimistisch: "Es war ein gespannter, hitziger Dialog. Wie die Regierung sind wir ja an einem Wandel in Ecuador interessiert", sagt Cholango. "Aber ganz fühlen wir uns noch nicht wohl. Unser Kampf geht weiter."