Nach der Veröffentlichung des Sonderbericht des Weltklimarats IPCC werden Forderungen nach mehr Klimaschutz laut. "Der Bericht zeigt, dass wir an einem Scheideweg stehen", erklärte der Hauptgeschäftsführer des katholischen Hilfswerks Misereor, Pirmin Spiegel, zu den Ergebnissen des Weltkimarats IPCC. "Die Botschaft ist klar: Noch können wir eine lebensfeindlichere Zukunft verhindern! Entweder gelingt uns binnen weniger Jahre ein Kulturwandel hin zu einer tiefgreifenden Umkehr unserer Lebens- und Wirtschaftsweise, oder wir werden uns in einem Klimasystem wiederfinden, in dem Millionen Menschen weltweit ihre Heimat, ihre Lebensgrundlagen oder gar ihr Leben verlieren."
Jetzt zähle jedes Zehntelgrad, sagte Spiegel weiter, "für uns und vor allem die, die schon heute am meisten unter den Folgen des Klimawandels leiden". Weitere Ausreden dürfe es nicht geben, betonte Spiegel und forderte auch die Bundesregierung zum Handeln auf. Konkret verlangte Spiegel mehr Engagement mit Blick auf erneuerbare Energien, weniger Fleischkonsum sowie den Schutz von Wäldern und Ökosystemen. "So erhalten wir die Lebensgrundlagen und Chancen für Millionen von Menschen, sich aus ihrer Armut zu befreien, statt in weitere Katastrophen zu stürzen."
"Keine Entschuldigung"
Greenpeace verwies darauf, dass "die drastischen Folgen der Erderhitzung in Deutschland nie so spürbar wie in diesem Dürresommer" gewesen seien. "Noch können wir verhindern, dass solche Dürren häufiger werden, dass uns stärkere Stürme und zerstörerische Überschwemmungen heimsuchen", sagte Benjamin Stephan von der Umweltschutzorganisation. Es gebe "keine Entschuldigung für ein reiches Industrieland wie Deutschland, seine CO2-Bilanz weiterhin mit alten, schmutzigen Kohlekraftwerken zu ruinieren".
Der Bericht des Weltklimarats entwerfe einen Weg aus der Klimakrise: "Der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas muss einhergehen mit dem Schutz und der Renaturierung von Wäldern, die CO2 aus der Atmosphäre filtern. Waldschutz und Klimaschutz gehören zusammen."
"Starkes Signal"
Brot für die Welt und Germanwatch bezeichneten die Ergebnisse des Weltklimarats IPCC als "starkes Signal für deutlich ambitionierteren Klimaschutz", wie die Organisationen am Montag in Berlin mitteilten. Dieser "wichtige Wegweiser aus der Klimakrise" zeige, dass ab einer Erwärmung über 1,5 Grad die Risiken und volkswirtschaftlichen Kosten des Klimawandels massiv steigen würden. "Die gute Nachricht ist: Die Begrenzung der Erwärmung auf dieses Limit ist bei zügigem und entschiedenem Handeln machbar", heißt es.
"Der Weltklimarat geht davon aus, dass sich klimabedingte Migration und Vertreibung bei einer Erwärmung von 1,5 Grad - und umso mehr bei 2 Grad Erwärmung - verstärken werden", erklärte die Präsidentin des evangelischen Entwicklungswerks Brot für die Welt, Cornelia Füllkrug-Weitzel. Doch die Menschen, die vor steigendem Meeresspiegel, Dürren und Stürmen fliehen müssten, seien bislang weitestgehend rechtlos. Sie forderte schnellstmögliche Regelungen und finanzielle Hilfen von der internationalen Gemeinschaft.
Kohleausstieg bis 2030
Laut dem politischen Geschäftsführer von Germanwatch, Christoph Bals, erlaubt die IPCC-Analyse kein Zögern. "Für die Industrieländer heißt dies, dass der sozialverträgliche Ausstieg aus der Kohle bis ungefähr 2030 vollzogen werden muss, aus den übrigen fossilen Energieträgern wie Öl und Gas möglichst bis zirka 2040. Dank der rapiden Entwicklung bei erneuerbaren Energien ist dies technisch möglich und auch ökonomisch sinnvoll".
Die Geschäftsführerin der Klima-Allianz Deutschland, Christiane Averbeck, mahnte zu einer deutlichen Senkung des Ausstoßes von Treibhausgasen. "Jedes Zehntelgrad weniger Erderhitzung zählt", betonte sie in Berlin.
Die Hilfsorganisation Care forderte von den westlichen Regierungen mehr Anstrengungen für den Klimaschutz. "Es wäre inakzeptabel und liefe auf einen Bruch des Paris-Abkommens hinaus, wenn die Bundesregierung und das Parlament den vom IPCC-Bericht dargelegten Handlungsnotwendigkeiten keine Taten folgen ließen", sagte Care-Klimaexperte Sven Harmeling. Ähnlich äußerte sich der Leiter Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland, Michael Schäfer: Die Bundesregierung müsse "endlich wieder naturwissenschaftliche Realitäten statt Mutlosigkeit zur Richtschnur ihrer Klimapolitik" machen.