Wann haben Sie zuletzt eine Bibel in die Hand genommen? Hand aufs Herz, vermutlich steht Ihre schon etwas länger unbenutzt im Regal. Aber eine Zierde sind Bibeln allemal, vor allem wenn sie auch noch von großen Meistern wie Marc Chagall illustriert worden sind.
Das Angebot solcher Kunst-Bibeln und anderer Ausgaben ist seit Jahren groß. Nun kommt ab 29. März eine ganz andere Version hinzu: "Die Schießler-Bibel", erschienen im Kösel-Verlag. Der über München hinaus bekannte katholische Pfarrer Rainer Maria Schießler hat erneut zur Feder gegriffen. Nach zwei Bestsellern liefert er seine Interpretation des "Buchs der Bücher".
Keine schwere Exegese...
Laut Untertitel soll diese Bibel dem Leser und der Leserin "Kraft in allen Lebenslage" bieten. Dabei setzt Schießler nicht auf schwer verständliche Exegese, sondern stellt jeder Bibelstelle, wie sie im Kirchenjahr der Reihe nach folgt, seine Auslegung an die Seite. I
Immer wieder sei er aufgefordert worden, diese Gedanken, die für Predigten, Zeitungskolumnen oder soziale Netzwerke entstanden seien, auch anderen zugänglich zu machen, schreibt Schießler im Vorwort. Das Buch solle ein "kleiner Beitrag zum persönlichen Glauben, sozusagen zur privaten 'Hirtensorge' für die Leser sein".
...sondern bildhafte Sprache
Wer den Priester schon einmal live erlebt hat, weiß, wie lebendig er es schafft, den Menschen die Frohe Botschaft nahezubringen. Dabei setzt er auf eine bildhafte Sprache, in der er den Bayern in sich nie verleugnet. Auf verständliche Weise gelingt es ihm, freudig, aber nicht frömmelnd über den Glauben zu erzählen. Dabei hat er immer Zitate von einem bekannten Theologen parat. Wenn Papst Franziskus etwa "übertriebenen Narzissmus, krankhaften Klerikalismus und aufgeblähten Zentralismus" beklagt, stellt der Pfarrer die Aussagen dem Jesus-Wort aus Matthäus 11,2-6 gegenüber: "Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt."
Für Schießler heißt das in der Konsequenz, die Kirche müsse wieder glaubwürdiger werden, "indem sie die Verantwortung für ihr Tun - wie schon in der Urkirche - viel stärker in die Hände der Gläubigen selbst übergibt". Nicht über Berufungsmangel gelte es zu klagen, sondern die Begabungen aller Getauften mit einzubeziehen: "Das ist das Gebot der Stunde."
Ostern und Eucharistie
Auch zu den Kar- und Ostertagen macht sich der Pfarrer seine Gedanken. Wenn am Gründonnerstag das Letzte Abendmahl gefeiert wird, erinnert er daran, dass Brot ein "Symbolwort für das Leben" sei.
Mit dem Wort "Brotbrechen" werde zudem ersichtlich, dass man Brot nicht nur für sich selber abbreche; es handle sich um ein gegenseitiges Geben und Nehmen, so Schießler. Das gemeinsame Essen und Trinken werde von Jesus als der symbolische Aufbau seines Leibes gedeutet. Leib meine dabei den Korpus, die Körperschaft der beteiligten Menschen. Die frühen Christen benötigten dafür keinen "geweihten Priester". Wenn das "so ist und war, darf die Kirche auch keiner Gemeinde das Recht und die Pflicht zur Feier der Eucharistie absprechen, nur weil kein Priester (mehr) zur Verfügung steht. Dann gilt es, über angemessene Formen des Gottesdienstes nachzudenken."
"Was zählt, ist der Mensch"
Und Ostern? Dieses Fest verkünde, dass es nicht darum gehe, sich an die Vergangenheit zu fesseln, findet der Pfarrer. "Unser Heute soll verändert, verwandelt werden. Wenn wir uns mit Jesus sehen lassen, wird er uns jedes Jahr eine Stufe weiterbringen, bis wir für das Leben mit Gott 'ausgereift' sind." Die besondere Rolle des Menschen werde durch die Auferstehung Jesu bestätigt. Keine Religion der Welt stehe so eindeutig für das Leben ein wie das Christentum, keine stelle sich so klar auf die Seite des Menschen, "gleich welcher Hautfarbe er ist, als jene, die durch das Evangelium ausgelöst wurde: Was zählt, ist der Mensch."
Gewidmet hat Schießler die Bibel seinem Freund, dem kirchenkritischen Pfarrer Roland Breitenbach (1935-2020). "Er war immer erreichbar, hat mich wieder und wieder auf den Boden einer guten Seelsorge geführt, mich aufgerichtet, wenn mich die Widerstände in der Kirche und die Verirrungen im kirchlichen Apparat völlig durcheinanderwarfen." Vor allem aber habe dieser ihm gezeigt, "wozu wir als Verkündiger des Evangeliums unterwegs sind: für die Menschen."