Nachbarschaftshilfe wünscht sich mehr Miteinander

"Man kriegt so viel zurück"

Was macht gute Nachbarschaftshilfe aus? Wie finden Menschen zueinander? Und was hat sich in der Corona-Zeit verändert? Die Kölner ökumenische Nachbarschaftshilfe "Kölsch Hätz" blickt auf 25 Jahre Erfahrung zurück und gibt Antworten.

Nachbarschaftshilfe hat vielfältige Formen (Caritasverband der Stadt Köln)

DOMRADIO.DE: Was macht denn für Sie eine gute, funktionierende Nachbarschaft aus? 

Antke Kreft, Caritasverband für die Stadt Köln (privat)
Antke Kreft, Caritasverband für die Stadt Köln / ( privat )

Antke Kreft (Leiterin der ökumenischen Nachbarschaftshilfe Kölsch Hätz beim Caritasverband Köln): Dass man sich gegenseitig wahrnimmt, dass man sich ein Lächeln schenkt, dass man sich Zeit schenkt, dass die unterschiedlichen Nachbarinnen und Nachbarn im Veedel (Wohnviertel, Anm. d. Red.) einen Platz haben, sich wohlfühlen, Teilhabe ermöglicht wird, ein Miteinander gegeben ist. Das ist für mich eine gute Nachbarschaft. 

Antke Kreft, Ökumenische Nachbarschaftshilfe "Kölsch Hätz"

"Man spürt das Miteinander, die Freude, das In-Begegnung-Sein, sich in seinem Veedel verankert zu fühlen"

DOMRADIO.DE: Wer sind diejenigen, die sich bei Ihnen melden und um Nachbarschaftshilfe bitten? Und aus welchen Gründen? 

Kreft: Tatsächlich ganz unterschiedlich. Natürlich ist eine Hauptzielgruppe eine ältere Altersdekade, das heißt Menschen, deren soziales Umfeld sich mit den Jahren verändert hat, deren Situation sich so verändert hat, dass weniger Teilhabe, weniger Mobilität gegeben ist. Die sich einfach wieder Begegnung wünschen, Gespräche wünschen, ein Miteinander wünschen, weil das aufgrund der gegebenen Bedingungen etwas zurückgegangen ist.

Nachbarschaftshilfe Kölsch Hätz feiert Jubiläum (Caritasverband der Stadt Köln)

Dann gibt es aber auch Nachbarn, die ganz unterschiedliche Art der Unterstützung für sich gebrauchen können. Alleinerziehende Elternteile zum Beispiel, bei denen es einfach schön ist, dass mal jemand mit den Kindern für eine Stunde auf den Spielplatz geht.

Oder Nachbarn und Nachbarinnen, die einfach gerne spielen möchten und gerne in Gesellschaft sein möchten - altersunabhängig - die gemeinsam spazieren gehen möchten, die sich zum Beispiel Gesellschaft beim Kirchenbesuch oder beim Sonntagsspaziergang wünschen. Die Anfragen sind also ganz unterschiedlich gelagert. 

Hintergrund: Kölsch Hätz

Seit 1997 initiiert und fördert Kölsch Hätz in mittlerweile 29 Stadtteilen Begegnungen und Kontakte im „Veedel“. 

Die Nachbarschaftshilfen von „Kölsch Hätz“ aus Köln und Region beraten Menschen, die sich ehrenamtlich in einem Stadtviertel engagieren wollen.

Kontaktlose Nachbarschaftshilfe gefragt / © Ivan Kruk (shutterstock)
Kontaktlose Nachbarschaftshilfe gefragt / © Ivan Kruk ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Hatten Sie zu Corona-Zeiten in den vergangenen zweieinhalb Jahren mehr Anfragen als gewöhnlich? Welche Geschichten haben Sie da erlebt? 

Kreft: Wir hatten mehr Anfragen, weil wir auch explizit Corona-Hilfen gegründet haben und da natürlich extrem viele Anfragen bei uns eingegangen sind.

Was die klassische Eins-zu-Eins-Begegnung in den Nachbarschaftshilfen ausmacht, hatten wir keine steigende Anfragen, aber eine andere Qualität der Anfragen. Das heißt, es ging nicht mehr um den reinen Besuch, um die reine Begegnung, sondern es waren - ich möchte fast sagen - multidimensionale Anfragen, wo klar war, dass da auch einfach noch ein bisschen mehr hinter steckte.

Das hat sich deutlich gesteigert, dass man da gemerkt hat: Diese Isolation und diese Vereinsamung nimmt einfach zu. Da sind die Bedarfe weit größer, als das im Vorfeld noch der Fall war. 

DOMRADIO.DE: Viele Ehrenamtliche stecken viel Herzblut in ihre Nachbarschaftshilfe. Mittlerweile sind es um die 650 engagierte Menschen. Was kriegen die denn zurück? 

Kreft: Man kriegt so viel zurück. Eine Ehrenamtliche hat jetzt gerade einen Film zum Jubiläum gedreht und auch junge Ehrenamtliche - 14- und 15-Jährige - befragt, die gesagt haben: Es ist ganz toll, in den Austausch zu gehen und mal von jemanden, der so viel Lebenserfahrung mitbringt, Geschichten zu hören, seine Themen anbringen zu können und dann auch einfach mal zu hören: Wie war es denn zu anderen Zeiten beziehungsweise, wie sind ältere Menschen mit gewissen Situationen umgegangen? Was hat sich verändert?

Antke Kreft, Ökumenische Nachbarschaftshilfe "Kölsch Hätz"

"Nächstenliebe ist konfessionsübergreifend. Nächstenliebe zu leben, dazu gehört keine Anbindung an eine Religion oder christliche Identität."

Man spürt das Miteinander, die Freude, das In-Begegnung-Sein, sich in seinem Veedel verankert zu fühlen, das Gefühl zu haben, jemandem anderen wirklich was mitgeben zu können, seine Zeit zu verschenken und dafür natürlich auch die Zeit von jemandem gegenüber zu bekommen. Das ist ein tolles Gefühl und das ist ein immenser Mehrwert, was wir von den Ehrenamtlichen immer wieder gespiegelt bekommen. 

DOMRADIO.DE: "Kölsch Hätz" ist eine ökumenische Nachbarschaftshilfe. Welche Rolle spielen denn der Glaube und christliche Werte für alle Beteiligten? 

Kreft: Die christliche Identität ist natürlich auch für uns immens wichtig. Wir werden von den beiden kirchlichen Wohlfahrtsverbänden getragen, aber auch von den Kirchengemeinden vor Ort. Wobei Nächstenliebe ein universeller Wert ist. Nächstenliebe ist konfessionsübergreifend. Um Nächstenliebe zu leben, gehört keine Anbindung an eine Religion oder an christliche Identität dazu, denn das ist zwischenmenschlich. 

Das Interview führte Katharina Geiger.

Quelle:
DR